Erster Teil: Mit dem
Womo auf dem Camino Francés
von Pamplona bis Sarría
Dienstag, 10. Juli - Anreise von
Italien über Frankreich nach Spanien
Novara bis Arenzano – 142 km
Nach schwerem Abschied
von unserem Enkel und unserer Tochter am
Flughafen von Malpensa beginnt nun unser eigentliches Reisevorhaben.
Heiliger Jacobus, wir kommen!
Westlich von Malpensa verlassen wir die Lombardei und sind nun im
Piemont. Wir fahren einige Kilometer durch den Parco Ticino
mit herrlichen Wäldern, überqueren den Ticino mit seinem jadegrünen
Wasser und stellen fest, dass unsere Reise in der Provinz
Novara beginnt. Wie passend: Die spanische Provinz Navarra
ist unser Reiseziel.
Wir
durchqueren die Provinzhauptstadt Novara, die übrigens
eine Partnerstadt von Koblenz ist. Der Turm des neoklassizistischen
Doms mit seinen umlaufenden Säulengalerien fällt schon von weitem
ins Auge. Die Stadt blickt auf eine sehr wechselvolle Geschichte
zurück. Sie wurde von den Ligurern gegründet und wurde später
römisches Munizipium. Im Mittelalter war sie erst eine freie
Kommune, musste sich dann im 14. Jahrhundert der Herrschaft der
Visconti unterstellen. Gemeinsam mit Mailand fiel die Stadt 1535 an
Österreich, 1734 übernahm Sardinien die Kontrolle.
Einige Kilometer südlich von Novara durchqueren wir das
Reisanbaugebiet von Vercelli (größtes Reisanbaugebiet
in Europa).
Abbildung oben:
Manche Reissorten
werden auf
überfluteten Feldern
angebaut. Das
Überfluten wird
durch kleine Dämme
ermöglicht. Der
Wasserstand muss
regulierbar sein,
man lässt ihn mit
zunehmender Höhe der
Pflanzen ansteigen;
zur Ernte wird das
Wasser abgelassen.
|
Eigentlich wollten wir auf einem Wohnmobilstellplatz in
Alessandria übernachten, aber es ist noch früh am Abend, als wir
dort ankommen, und so beschließen wir, weiter ans Mittelmeer zu
fahren und westlich von Genua an der Riviera dei Fiori ein
Plätzchen für die Nacht zu suchen.
Kurz
bevor wir das Piemont verlassen, beginnt die typische
Berglandschaft Liguriens (mit dicht bewaldeten Hügelketten und
malerisch dazwischen eingestreuten Dörfchen) und damit auch
das übliche Tunnelhopping. Rein in den Tunnel, raus aus dem Tunnel,
rein in den Tunnel, raus aus dem Tunnel…
Westlich von Genua sehen wir
dann endlich vor uns das Mare Mediterraneum. Über dem Meer stehen
rosa Wölkchen am noch hellen Abendhimmel – ich meine mich aus
Pfadfinderzeiten zu erinnern, dass das Schönwetterwolken sind.
Bestimmt!
In Arenzano verlassen
wir die Autobahn und stellen uns auf den Parkstreifen rechts der
Uferstraße vor Arenzano, der Via Aurelia di Levante (SS1), direkt an
der Strandpromenade, mit herrlichem Blick aufs Meer und die
abendlich erleuchtete Stadt Arenzano.
Mittwoch, 11. Juli 2007
Gestern Abend haben wir lange an der Strandpromenade von Arenzano
gesessen – natürlich mit einem leckeren Gläschen Rotwein. Die
Guardia Costiera und ein Feuerlöschboot fuhren auf und ab, ein
Polizeihubschrauber kreiste über der Bucht. Klarer Fall, meint mein
kriminalistisch geschulter Liebster, der italienische
Staatspräsident ist hier – oder vielleicht der Papst? Auf der
Promenade patrouillieren verdeckte Ermittler, die uns genau im Auge
behalten. Die meisten von ihnen drehen kurz hinter unserer Bank um
und spazieren erneut an uns vorüber. Eine Agentin mit goldenen
Schuhen und Goldtäschchen, die mein Liebster gerne noch ein zweites
Mal in Augenschein genommen hätte, kommt allerdings nicht mehr
zurück. Schade. Jetzt können wir schlafen gehen. Sorgen um unsere
Sicherheit müssen wir uns nicht machen, die anderen haben mehr Angst
vor uns als wir vor ihnen.
Am
Morgen stellen wir fest, dass wir gut und ruhig geschlafen haben und
machen uns schon zeitig um 8 auf die Socken. Unser Tagesziel ist
Narbonne, und das ist noch ein gutes Stück von hier entfernt.
Arenzano bis
Narbonne - 593 km
Berühmte Badeorte liegen an unserer
Route entlang der Riviera dei Fiori wie Perlen an einer Kette
aufgereiht: Savona, Albenga, Alassio, Imperia, San Remo,
Bordighera. Wir sehen sie unter uns vorbeiziehen, während wir
auf der Autostrada dei Fiori Richtung Westen auf Frankreich zu
fahren.
Hinter Ventimiglia
begrüßt uns La Grande Nation mit einem überwältigenden Blick auf
Menton. Von Monaco sehen wir außer dem Autobahnschild
nichts, denn die Autostrada zieht sich nun von der Küste ins
gebirgige Hinterland zurück. Wir hätten den Grimaldis ja gerne mal
zugewinkt und ihnen viel Glück für die nächsten Ehen und Eskapaden
gewünscht…
Die Fahrt durch
die Landschaft der Provence mit dichten Pinienwäldern, sanften,
bewaldeten Hügeln und kleinen terracottafarbenen Ortschaften ist
zwar wohltuend für die Augen, aber etwas eintönig.
Spektakuläre Ausblicke wie auf dem Foto unten sind eher selten.
Auf einem Rastplatz hinter Aix-en-Provence
genehmigen wir uns unter Pinien die Reste unseres gestrigen
Grillmahls: provencalische Bratkartoffeln – direkt aus der Pfanne -
mit Sauerrahmdip und eine Kanne kalten Milchkaffee. Herrlich!
Von unserem schönen Rastplatz schauen
wir auf ein Lavendelfeld. Zum Glück riechen wir es nicht –
Lavendelgeruch erinnert mich immer an das Parfüm meiner Oma. Nichts
gegen meine Oma – ich liebte sie, nur eben ihren Sonn- oder
Feiertagsduft nicht.
Bei der Weiterfahrt hören wir uns den
ersten Teil von
Hape Kerkelings Beschreibung seiner Pilgerwanderung an. "Ich bin
dann mal weg" - ein Buch, das man mit Genuss liest und ständig hin
und her gerissen ist zwischen großem Interesse (bezüglich seiner
Ausflüge in die Philosophie), tiefem Mitgefühl (bezüglich seiner
diversen Aua-Zonen), Neugierde (bezogen auf den Menschen Kerkeling
und sein bisheriges Leben) und Schmunzeln bis hin zum lauten
Loslachen (wenn der Komiker und gute Beobachter zum Zuge kommt). Nun
liest er uns also sein Tagebuch persönlich vor. Schwer zu sagen, was
schöner ist. Ich würde sagen, man muss beides haben,
Buch und
CD. Erst das Buch lesen, um zu wissen, wo man ganz genau
hinhören muss, um nicht etwas Wichtiges zu verpassen. Ich habe das
Buch so aufmerksam gelesen, dass ich an mich halten muss, um Günther
nicht ständig zu verraten, was als nächstes kommt.
Die an uns vorüber ziehende
Landschaft wird nun von Zypressen und weiten Feldern und Wiesen
beherrscht. Wir fahren durch die Cevennen, die das
südöstliche Ende des Zentralmassivs markieren, der großen
Plateauregion Mittelfrankreichs. Die alte Stadt Nimes
lassen wir im wahrsten Sinne des Wortes links liegen. Nîmes
wurde 121 v. Chr. von den Römern unterworfen und entwickelte sich
dann – als das antike Colonia Augusta Nemausus – zu einer
wirtschaftlich bedeutenden Siedlung. Im 5. Jahrhundert n. Chr. wurde
die Stadt von den Westgoten zerstört, geriet im 10. Jahrhundert
unter die Herrschaft der Grafen von Toulouse und fiel im
13. Jahrhundert schließlich an Frankreich. Wenn man diese kurzen
Geschichtsabrisse liest, vergisst man allzu oft, dass dahinter immer
furchtbare Schicksale stehen von Menschen, die ohne ihr Zutun in
diese politischen Machtspielchen verwickelt wurden.
Hinter Nimes erfreuen wieder
ausgedehnte Pinienwälder unsere allmählich müder werdenden Augen.
Leider kommt auch schon wieder eine „Bezahlstation“ in Sicht.
Günther findet, dass das auf diesem Autobahnstück wirklich
„tierisch“ ist – zumal er mit seinem immer noch sehr schmerzenden
rekonvaleszierenden linken Arm Mühe hat, die Tickets zu ziehen und
das Geld in den entsprechenden Geldschlitzen zu deponieren. 35 Euro
haben wir bis hierher – d.h. 28 km vor Montpellier - abdrücken
müssen. Und jetzt kommen noch 7,30 Euro hinzu. Die nehmen’s von den
Lebendigen, meint der Womochef. Recht hat er, aber von wem sollen
sie’s sonst nehmen?
Südlich von uns liegt die Camargue.
Günther meint, er hätte auch schon zwei wilde Pferde gesehen - woran
mag er erkannt haben, dass sie wild sind??? Egal, allein der Glaube
zählt.
Jetzt sind wir im Departement Herault,
das zur Region Languedoc-Roussillon gehört, einer
welligen Hügellandschaft mit zahlreichen Flussläufen. Ah, ich
erinnere mich: Von hier kommt der leckere und preiswerte Rotwein,
den wir so oft im Urlaub getrunken haben. Ich schreib’s und sehe
beim Aufblicken die ausgedehnten Weinplantagen rechts und links der
Autobahn.
Die Languedoc
nahm früher einen
Großteil
Südfrankreichs ein.
Die römische
Besetzung vom 1. bis
4. Jahrhundert ließ
die Region zu einem
kulturellen und
geistigen Zentrum
werden. Es besaß
eine eigene Sprache
(die langue d’oc)
und eine eigene
Kultur, die auf die
Katharer zurückgeht.
– Die Geschichte der
Katharer, über die
ich viel gelesen
habe, ist
faszinierend. Die
Gemeinschaft der
Katharer war eine
weit verbreitete
religiöse Bewegung
des Mittelalters.
Sie zeichnete sich
durch das Einhalten
einer strengen
Askese aus und
vertrat eine
dualistische
Theologie, der
zufolge das
Universum aus einer
von Gott
geschaffenen
spirituellen und
einer vom Satan
beherrschten
materiellen Welt
besteht. Ihre
stärkste
Gefolgschaft
versammelten die
Katharer hier in
Südfrankreich, wo
sie meist Albigenser
hießen. Fast der
gesamte Adel zählte
zu ihren Anhängern.
Als die Grafen von
Toulouse und Foix
sich gegen die
katholische Kirche
und den König von
Frankreich wandten,
kam es zu den
Albigenserkriegen
(1209-1229). Der
Rückgang der
Bewegung erklärt
sich jedoch nicht
nur durch die
Verfolgung durch die
Inquisition, sondern
auch durch die
Verbreitung der
Bettelorden,
insbesondere der
Franziskaner.
Hatten nicht auch
die Templer etwas
gegen die Katharer?
Irgendwas schlummert
da in meinem
Hinterkopf; ich muss
das unbedingt mal
nachlesen. Auf jeden
Fall waren die
Tempelritter in
dieser Gegend hier
auch sehr aktiv.
|
Gegen 4 Uhr kommen wir in Narbonne an, wo unsere
heutige Tagestour zu Ende ist. Auf dem Womo-Stellplatz in
Narbonne-Plage wollen wir heute übernachten.
Narbonne
ist ein
Umschlagszentrum für
Wein und ein
bedeutender
Industriestandort.
Zu den historischen
Sehenswürdigkeiten
gehören Überreste
aus der Römerzeit,
die Kathedrale
Saint-Just
(Baubeginn 1272, bis
heute unvollendet)
sowie der ehemalige
erzbischöfliche
Palast (13.
Jahrhundert), in dem
sich heute das
Rathaus und ein
Museum für Kunst und
Archäologie
befinden.
118 v. Chr. wurde
Narbonne die erste
Kolonie der Römer in
Gallien. Vom dritten
Jahrhundert bis 1801
war die Stadt Sitz
eines Erzbischofs.
Im fünften
Jahrhundert wurde
sie von den
Westgoten und 719
von den Sarazenen
erobert. Bis zu
Beginn des 14.
Jahrhunderts besaß
sie einen großen
Hafen, der jedoch
später versandete.
1507 ging Narbonne
an die französische
Krone über.
|
Kathedrale
Saint-Just
Bevor wir zum Wohnmobilstellplatz in
Narbonne-Plage fahren, wollen wir noch Mineralwasser
und Brötchen kaufen. Gleich bei der Autobahnausfahrt ist ein
Carrefour-Supermarkt, wo man fast alles bekommt, was das Herz
begehrt. Als wir den Parkplatz des Einkaufszentrums verlassen, macht
es laut vernehmlich „plop“ an unserem Womo. Was war das? Nix, meint
mein Gemahl, alles in Ordnung. Aber von nun an hören wir ein
rumpelndes Geräusch…
Nachdem wir auf dem Stellplatz, der
direkt am Strand von Narbonne liegt und Platz für mindestens
100 Womos bietet, angekommen sind, suchen wir uns ein annehmbares
Plätzchen für unseren Hiram. Schatten gibt es hier nicht, aber es
weht ein kühles Windchen, so dass man es auch in der Sonne aushalten
kann.
Stellplatz-Nr.
9543
|
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Straße:
|
Route de Gruissan
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Land-PLZ-Ort:
|
F-11100 Narbonne,
Ortsteil
Narbonne-Plage
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geöffnet von-bis
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max. Aufenthalt
|
|
Anzahl
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Gebühren
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Ver- und
Entsorgung
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Bodeneinlass, FriWa-Zapf, Fäk-Ents., WC, Müllcontainer
|
|
|
Hinter einer kleinen Düne liegt das
Meer, dem wir jetzt unbedingt unsere Aufwartung machen wollen. Nach
einer regelrechten Wanderung über den superbreiten (ca. 50 m)
Sandstrand, erreichen wir die Waterkant, begierig auf ein kühles Bad
im Mittelmeer. Kühl ist jedoch eine starke Untertreibung für das
Eiswasser, in das wir uns da begeben. Brrr!!! Günther – mein Held -
dippt seinen Astralkörper nur kurz hinein, während ich mich zu sehr
vor Erfrierungen an edlen Körperteilen fürchte, und es nur bis Mitte
Oberschenkel schaffe. Unglaublich, wie kalt das Meer noch im Juli
ist! Es hat höchstens 17 oder 18 Grad (was uns wenig später Womo-Kollegen
auf dem Platz bestätigen). Das war also ein Satz mit X.
Und dann stellen wir auch noch fest,
dass wir Anrecht auf einen fragwürdigen Titel haben: Pechvögel des
Tages! Das „Plop“ am Supermarkt war ein geplatzter Reifen. Suuuuper!
Mit der tatkräftigen Hilfe von zwei
herbei eilenden Womo-Kollegen wird die Panne behoben, aber nun haben
wir keinen intakten Reservereifen mehr, und das ist uns überhaupt
nicht geheuer.
Nachdem Günther sich wieder in einen
ansehnlichen Ehemann verwandelt hat, genießen wir unser abendliches
Grilldinner. Bei einem Verdauungsspaziergang über den Platz – den
machen hier, wie’s scheint alle, treffen wir auf einen der Womo-Samariter
von vorhin und werden eingeladen, uns zu der kleinen Runde vor
seinem Mobil zu gesellen. Also hole ich unsere Stühle, und ein
Fläschchen guten alten Grappa kommt auch noch mit. Der Schreck muss
begossen werden! Es ist nett und gemütlich bei den Wohnmobilisten
aus Heinsberg, die übrigens Freunde in Bad Honnef haben. Während der
Unterhaltung muss ich mir wohl das eine oder andere Gläschen Grappa
eingeschüttet und es wohl auch getrunken haben…
Donnerstag, 12. Juli 2007
O-oh! Nie wieder Alkohol! Heute
Morgen fühle ich mich nicht wie andere Frauen.
Wir haben beschlossen, zwei neue
Reifen für unseren Hiram zu kaufen. Ein Anruf beim ADAC hilft uns
mal wieder weiter. Der ADAC-Mitarbeiter sucht uns einen
Reifenhändler in Narbonne heraus und fragt dort auf unser Bitten
auch an, ob die richtige Reifengröße auf Lager ist. Zum Glück ist
das der Fall, und wir begeben uns erleichtert auf die – etwas
nervende – Suche nach der Firma Euromaster, die sich in einem Winkel
in der Route de Pergignan versteckt hat.
Die Reifenaktion dauert bis 12 Uhr,
so dass wir mit einer riesigen Verspätung unsere heutige Tagestour,
die uns nach Pamplona bringen soll, antreten.
Narbonne - Pamplona, 578 km
Die Fahrt durch die Languedoc tut den
Augen und der Seele gut. Grüne Hügel, goldene Getreide- und
leuchtend gelbe Sonnenblumenfelder, dazwischen Pinien, Zypressen,
Birken, Weiden u.v.a. Laubbäume, beschauliche Dörfchen und immer
wieder altehrwürdige Gemäuer aus vergangenen Jahrhunderten.
Von einem schön angelegten Rastplatz, auf dem
wir eine kurze Räkelpause einlegen, hat man eine hervorragende Sicht
auf die Altstadt von Carcassonne.
So schön sind hier die Rastplätze
Blick auf die Oberstadt von Carcassonne
Carcassonne
Die
von
einer
doppelten
Ringmauer
umgebene
Oberstadt
von
Carcassonne
ist
ein
großartiges
Beispiel
für
eine
befestigte
mittelalterliche
Stadt
in
Europa.
Einige
Bauten
stammen
aus
dem
5.
Jahrhundert,
der
Ära
der
Westgoten,
andere
aus
dem
11.
bis
13.
Jahrhundert.
Sehenswert
sind
die
Burg
aus
dem
12.
Jahrhundert
und
die
Kirche
Saint-Nazaire
(11.-14.
Jahrhundert).
An
der
Stelle
der
Oberstadt
befand
sich
einst
eine
römische
Siedlung,
die
im
5.
Jahrhundert
unter
die
Herrschaft
der
Westgoten
kam.
Im
8.
Jahrhundert
fiel
die
Stadt
an
die
Franken.
Während
der
Kreuzzüge
gegen
die
Albigenser
wurde
Carcassonne
von
den
Anglonormannen
unter
Simon
de
Montfort
erobert,
der
die
Einwohner
töten
ließ.
Die
Stadt
ging
1247
in
den
Besitz
der
französischen
Krone
über.
Zu
jener
Zeit
gründete
der
französische
König
Ludwig
IX.
die
neue
Stadt
(Unterstadt)
am
anderen
Ufer
der
Aude.
|
Alle Einwohner der Stadt niedergemetzelt! Das
Mittelalter war schon eine grausige Zeit, denke ich,
aber ist unsere Neuzeit eigentlich nicht auf
ihre Art noch schlimmer? Die Methoden der Menschen,
einander umzubringen und zu quälen, sind „perfekter“
geworden.
Nach der Languedoc
durchfahren wir die landschaftlich ebenso schöne
Region Midi Pyrenées, zu der auch das
Département Haute Garonne gehört,
dessen Hauptstadt Toulouse ist. Unsere
Route streift die Stadt allerdings nur, und wir
sehen lediglich hässliche Wohnsilos.
Toulouse
ist
Hauptstadt
der
Region
Midi-Pyrénées
und
Verwaltungssitz
des
Départements
Haute-Garonne.
Im
Mittelalter
war
die
Stadt
Hauptstadt
der
Region
Okzitanien.
und
bis
zur
Französischen
Revolution
offizielle
Hauptstadt
der
Provinz
Languedoc.
Seit
den
1980er
Jahren
hat
sich
Toulouse
zu
einem
der
bedeutendsten
Luftfahrtzentren
der
Welt
entwickelt.
Etwa
34.000
Beschäftigte
arbeiten
in
diesem
Industriezweig,
welcher
in
Toulouse
bereits
eine
lange
Tradition
hat.
|
Bei der Fahrt durch die Regionen
Haute Pyrénées und Pyrénées-Atlantiques
begleitet uns die Gebirgskette der Pyrenäen links,
sprich südlich, der Autobahn.
Hinter Tarbes – wir haben
jetzt etwa die Hälfte der Tagestour geschafft – machen wir eine Rast
und freuen uns auch diesmal über den schön angelegten sauberen
Rastplatz. Daran könnten wir Deutschen uns ein Beispiel nehmen. Wir
sind schon lange nicht mehr die Saubermänner Europas.
Im Département Aquitaine
fahren wir dann wieder durch eine hügelige Parklandschaft: grüne
Wiesen, kleine Wäldchen, Maisfelder, Weingüter, kleine, in der Sonne
blitzende
Seen und Flussläufe. Mein
Vater nannte eine solche Gegend immer „Sonntagslandschaft“. Das
passt hier genau, zumal der Himmel darüber so freundlich blau
leuchtet.
Um Viertel vor 7 kommen wir in
Biarritz an der Atlantikküste an. Es ist 22 Jahre her, dass
wir hier mit den Kindern waren und Bekanntschaft mit Öhm Joe und Old
Windy (die äußerst treffenden Namen waren der reichen Phantasie des
Womo-Chefs zu verdanken) machten - zwei illustre Gestalten, die wir
täglich sahen und die perfekt in einen Harry Potter-Roman gepasst
hätten.
Wir sind nun in den Pays Vasques,
dem Baskenland, und kurven durch die Bergwelt der Pyrenäen auf der
Straße N 121A in Richtung Pamplona. Ein kleiner, grün in der Sonne
leuchtender Gebirgsfluss begleitet unsere Fahrt. Günther meint: Das
ist hier ja schöner als bei uns an der Ahr. Anders schön, sage ich
jetzt mal. Ich bin eine Lokalpatriotin!
Die Ortsnamen auf den Straßenschildern sind
teilweise sehr ungewöhnlich. Zizurquil, Azpirotz, Uitzi, Etxarri...
Das muss Baskisch sein.
Die
baskische Sprache ist die
einzige lebende vorindogermanische
Sprache in Westeuropa. Sie wird von
etwa einer Million Basken
gesprochen, die in Nord- und
Mittelspanien (im Baskenland und in
der Provinz Navarra) und im
Departement Pyrénées-Atlantiques in
Südwestfrankreich leben. Alle
Versuche, das Baskische einer
Sprachfamilie zuzuordnen, sind
bisher gescheitert. Die Mehrheit der
Sprachwissenschaftler geht davon
aus, dass Baskisch eine isolierte
Sprache ist, zu der es keine
bekannten verwandten Sprachen gibt.
Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde
Baskisch im alten Aquitanien, dem
Gebiet der Gascogne in Frankreich,
gesprochen. Nach dem Spanischen
Bürgerkrieg (1936-1939) wurde der
Gebrauch des Baskischen in Spanien
durch das Franco-Regime unterdrückt.
Bücher in baskischer Sprache wurden
öffentlich verbrannt und baskische
Namen verboten. In den sechziger
Jahren änderte sich diese Politik
allmählich. Messen in der Kirche
sowie Rundfunk- und Fernsehsendungen
auf Baskisch wurden erlaubt. 1979
übernahm das für das
Unterrichtswesen zuständige
Ministerium die Verantwortung für
Unterrichtsprogramme in baskischer
Sprache für alle Unterrichtsstufen.
1980 wurde das erste baskische
Parlament gewählt und Euskara,
die Sprache der Basken, in
den baskischen Provinzen neben
Spanisch als Amtssprache anerkannt.
Die baskische
Separatistenorganisation ETA setzt
sich seit Ende der fünfziger Jahre,
auch mit Waffengewalt, für einen von
Spanien unabhängigen Baskenstaat
ein.
|
Hier ist es wunderschön. Ich finde,
die Basken leben wie Gott in Frankreich. Warum schmeißen die bloß so
viele Bomben? Nicht zu begreifen, dass diese Menschen wegen ihres
fanatischen Nationalbewusstseins solche Verbrechen an ihren
spanischen Mitbürgern begehen, obwohl sie doch glücklich und
zufrieden in ihrem zauberhaften Ländchen leben könnten. Spanisch
oder Baskisch, ist das nicht total egal, wenn es einem gut geht?
Aber, was weiß ich - ich bin ja nicht als Baskin groß geworden.
Das kleine gewundene Sträßchen, das
uns so gut gefallen hat, mündet schließlich in eine breite, gut
ausgebaute Straße, auf der die Lastwagen Richtung Frankreich
brettern. Leider ist auch unser Gebirgsflüsschen in einer anderen
Richtung weiter geflossen.
Wir sind nun in der spanischen Region
Navarra.
Navarra,
eine autonome Region im Nordwesten
Spaniens mit der Hauptstadt Pamplona
hat eine geringe Bevölkerungsdichte,
die Einwohner leben überwiegend am
Ebro. Die landwirtschaftlichen
Hauptprodukte sind Wolle, Milch,
Getreide, Gemüse und Trauben. In den
Pyrenäen hat die Forstwirtschaft
Bedeutung. Die heutige Region
Navarra und das französische
Departement Pyrénées-Atlantiques
bildeten im Mittelalter das
Königreich Navarra. 1589 fiel der
nördliche Teil des Königreiches an
Frankreich. |
Ab Berroeta fahren wir
parallel zum Camino Baztanés
(auch
Ruta del Baztan genannt), einer der Varianten des
Jakobsweges, die die von Norden kommenden Pilger nehmen können und
die von Bayonne (auf Baskisch: Baztan) nach Pamplona
führt. Der Camino Baztanés stößt in Arre (nördlich von
Pamplona) auf den Camino Francés.
Gegen halb neun sind wir am Ziel
unserer heutigen Fahrt angekommen, dem
Campingplatz
Ezcaba, 7 km nördlich von Pamplona. Hier ist die
Hölle los. Junge Leute aus England, Amerika und wer weiß woher
bevölkern den Platz, viele von ihnen in der typischen Kleidung der
Mozos: weiße Hose, weißes Hemd oder T-Shirt, rote Schärpe um die
Hüften, rotes Halstuch. Die Mädels variieren die Tracht mit oftmals
recht flippigen Teilen. Ein Event-Reiseunternehmen hat hier die
Sache voll im Griff.
Campingplatz
|
Camping Ezcaba
|
Services
|
31194 EUSA / Navarra
|
geöffnet
|
ganzjährig
|
Telefon
|
+34 948 33 03 15
|
Fax
|
+34 948 33 13 16
|
Email
|
info@campingezcaba.com
|
Services
|
Gaststätte /
Restaurant,
Öffentlicher
Fernsprecher,
Waschmaschinen,
Trockner FriWa-Zapf,
Fäk-Ents., WC,
Müllcontainer
|
Wir hatten Glück im abgrundtiefen (der Abgrund
lag immerhin fast 70 cm über dem Schlafzimmerboden!) Unglück von
Günthers Bettensturz. Da wir die Reise erst 6 Wochen später antreten
konnten, sind wir nun genau in der Woche in Pamplona
angekommen, in der das Namensfest des Heiligen Firmin gefeiert wird.
Die
Sanfermines
haben drei
geschichtliche
Hintergründe. In
erster Linie werden
sie zu Ehren des Hl.
Firmin d.Ä.
gefeiert, einem Sohn
der Stadt, der ca.
im dritten
Jahrhundert n.Chr.
die Gegend um Amiens
(Frankreich)
missionierte.
Kurioserweise ist
San Fermin weder der
Schutzheilige
Pamplonas (das ist
San Saturnino) noch
der der Region
Navarra (diese Ehre
kommt San Francisco
Javier zu). Nicht
einmal das Datum der
Festlichkeiten fällt
auf den
ursprünglichen
Gedenktag des
Heiligen am 10.
Oktober; im Jahr
1591 entschied man
in Pamplona, das
Fest, das schon seit
1324 gefeiert wurde,
wegen des schlechten
Wetters im Oktober
auf den 7. Juli zu
verlegen.
Die
Art der
Festlichkeiten
wurzelt in den
mittelalterlichen
Jahrmärkten (ferias)
sowie in den
Stierkämpfen (corrida
de toros).
Damals wurden die
Stiere von Hirten
zur Plaza de
Toros in die
Stadt getrieben. Der
spanische Stierkampf
ist das letzte
Relikt jenes
vorzeitlichen
Rituals, das in
aller Regel die
Tötung eines Stieres
in den Mittelpunkt
der Handlung stellt.
Der
Chupinazo
(baskisch: Txupinazo)
ist der offizielle
Beginn der
Sanfermines. Am 6.
Juli versammeln sich
abertausende
Festgäste vor dem
Rathaus in dichtem
Gedränge, um dort
den Startschuss der
kleinen Rakete (cohetes)
um Schlag 12 zu
erwarten und zu
feiern. Eine
örtliche
Persönlichkeit wird
auserkoren, diese
Rakete zu zünden und
danach mit dem
Spruch "Viva San
Fermín, Gora San
Fermín" ("Lang lebe
San Fermin" auf
Spanisch und
Baskisch) die
Festwoche offiziell
auszurufen. Das
Tragen der roten
Halstücher, Teil der
typischen Kleidung,
ist vor Beginn der
Fiesta eher
unüblich.
Am 7.
Juli um 10 Uhr wird
im Rahmen einer
Prozession eine
große Figur des
Schutzheiligen San
Fermín durch die
Altstadt Pamplonas
getragen. Während
kurzer Pausen singen
die Teilnehmer zu
Ehren ihres Patrons.
Diese Prozedur
dauert etwa 1 1/2
Stunden, bis der Zug
an der Kirche San
Lorenzo ankommt.
Dort wird
anschließend in der
Kapelle des San
Fermín Messe
gehalten. Für einige
Bürger ist dieser
religiöse Aspekt
einer der
Wichtigsten des
Festes.
Der
Encierro ist
das Eintreiben der
sechs Kampfstiere in
die Stierkampfarena.
Hierbei handelt es
sich um eine Strecke
von 825 m, die
hauptsächlich durch
die Altstadt
Casco Viejo von
Pamplona führt.
Der
Encierro
(Einschluss, weil
die Straßen mit
Holzbarrieren
abgeriegelt werden)
findet täglich
zwischen dem 6. und
14. Juli um 08:00
Uhr statt und dauert
bei
komplikationsfreiem
Ablauf ca. drei
Minuten. Sobald der
Startböller Punkt
acht Uhr ertönt,
begeben sich die
sechs Stiere mit
einem Dutzend Kühe
(mit Kuhglocken) auf
die Strecke und
rennen in Richtung
Plaza de Toros
(Stierkampfarena von
Pamplona). Der Kick
für die Teilnehmer
ist es, eine kurze
Wegstrecke möglichst
neben einem Stier
herzulaufen. Auf
Grund der hohen
Geschwindigkeit ist
dies jedoch nur für
zehn, max. zwanzig
Meter möglich.
Traditionell trägt
jeder Läufer (mozo)
ein weißes Hemd und
eine weiße,
enganliegende Hose
mit einem roten
Halstuch (pañoleta)
sowie einer roten
Schärpe (faja).
Viele erfahrene
Teilnehmer laufen
mit einer
zusammengerollten
Zeitung, um den
Abstand vom Stier
zum Läufer zu
verlängern und den
Stier am Hals in
Richtung Arena zu
lenken.
Einige Minuten vor
Beginn des Laufes
singen einige
Läufer, die so
genannten "Peñas",
je dreimal vor der
Statue des Patrons
San Fermín in der
Cuesta de Santo
Domingo den Text
A San Fermín
venimos, por ser
nuestro patrón, nos
guíe en el encierro,
dándonos su
bendición. ¡Viva San
Fermín! Gora San
Fermín! ("Wir
kommen zu San
Fermín, denn er ist
unser
Schutzheiliger, möge
er uns während des
Laufes leiten und
uns seinen Segen
geben. Es lebe San
Fermín!").
Der
gefährlichste Teil
ist die Cuesta de
Santo Domingo.
In dieser Enge
passieren für
gewöhnlich die
meisten Unfälle. Mit
jährlich steigender
Teilnehmerzahl
steigt auch die
Verletzungsgefahr,
da sich immer mehr
Menschen auf der
Strecke und den
Fluchtwegen tummeln.
Oft fallen Menschen
und manchmal
kollidieren Stiere
mit Menschen, was zu
Verletzungen führen
kann. Seit 1900
starben ungefähr ein
dutzend Personen,
die an der Mutprobe
"Encierro"
teilnahmen.
Die
Tiere müssen beim
Encierro große
Angst, Panik und
Schmerzen durch
Schläge und Stürze
erleiden. Nach dem
Eintreiben haben die
sechs Stiere genau
zehn Stunden Zeit,
um sich am selben
Abend in der
Stierkampfarena der
Mannschaft des
Matadoren nach altem
Ritual in einem
Todeskampf zu
stellen. Der Kampf
endet für den Stier
meistens tödlich.
Die Einnahmen aus
den Eintrittskarten
der Arena und dem
Verkauf des
Stierfleisches
kommen karitativen
Zwecken zu Gute.
Nach
dem Encierro gibt es
Umzüge mit Cabezudos
(Großköpfe) und
Gigantes (Riesen),
den "Reyes y Reinas",
das sind ca. vier
Meter große
Riesenfiguren, die
dem alten Leitbild
des Mittelalters,
den Königen von
Europa, Afrika,
Amerika und Asien
entsprechen sollen.
Das
Fest endet am 14.
Juli dort, wo der
Trubel auch
angefangen hatte,
auf der Plaza
Consistorial vor
dem Rathaus. Die
Menge versammelt
sich mit Kerzen und
singt das "Pobre de
Mí":
Pobre
de mí
pobre de mí
que se han acabado
las fiestas de San
Fermin
(Ach
ich Armer,
ach ich Armer,
das Fest von San
Fermin
ist vorbei!)
Damit
beweinen sie das
Ende des Festes und
erwarten das nächste
Jahr, welches erneut
den Trubel in die
Stadt bringen wird.
|
Ernest Hemingway machte übrigens durch seinen
Roman Fiesta nicht nur die Stierläufe, sondern auch die ihn
faszinierende Stadt weltberühmt.
Der
Campingplatz Ezcaba ist brechend voll - und die Preise sind auch
zum Brechen. 48 Euro müssen wir für eine Nacht zahlen. Dafür gibt’s
ein Armbändchen für jeden, für uns sogar ein goldenes, das auf dem
Platz getragen werden muss. Die meisten anderen haben rote Bändchen
und zahlen vermutlich viel weniger. - Alles klar, dann ist unseres
mit Sicherheit das All Inclusive-Bändchen. :-) Dafür ist der Preis
doch ganz okay. Gehen wir also heute mal all-inclusive essen. Pizza
wunnebar! Aber - was soll ich sagen? – wunderbar ist doch nicht ganz
das richtige Adjektiv. Wundersam wäre passender. Ein großer
einladender Pizzaofen steht zwar mitten im Openair-Lokal, aber die
Pizza kommt aus der Tiefkühltruhe und wird im Elektro-Backofen
gebacken. Von den angebotenen 6 Sorten gibt’s nur drei. Wir
entscheiden uns für eine Variante mit Jambon – Schinken. Lange
warten wir auf die Pizzen, freunden uns in der Zwischenzeit fast
schon eng mit zwei Österreicherinnen an, die uns die gesamte
Leidensgeschichte ihres diesjährigen Urlaubes erzählen. Es ist so
unterhaltsam, dass wir unsere Pizzen darüber fast vergessen. Als
Günther nachfragt, sind sie tatsächlich fertig. Doch, oh Wunder, aus
den beiden Schinkenpizzen sind drei Peperonipizzen geworden, die wir
angeblich bestellt haben. Jetzt wird Günther sauer. Sein Bier (6
Euro) hat auch nicht geschmeckt – und das ist ja fast noch
schlimmer… Wir wollen eure Peperonipizzen nicht! Nachdem wir unser
Geld (9 Euro je TK-Pizza) zurückbekommen haben, ziehen wir heim zum
Womo, kochen selbst. – Eigener Herd ist Goldes wert (oder 18 Euro).
Wir finden’s sowieso bei uns viel leckerer und beschließen, alle
Leute, die im Internet unsere Berichte lesen, vor diesem
Campingplatz zu warnen. Hiermit geschehen.
Während wir unser home made Dinner
genießen, beobachten wir das bunte Treiben auf dem Campingplatz. Um
uns herum tummelt sich die Jugend der Welt in Weiß und Rot.
Amerikaner, Japaner, Holländer, Franzosen, Spanier... Hier ist alles
vertreten, was meint, den Helden spielen zu müssen. Der Wahnsinn hat
sogar Methode. Es gibt ein von
"Fanatics"
organisiertes Camp für die Heridos des Encierro, und für die
Schaulustigen (dazu gehören wir ja irgendwie auch) wird ein
geführter "Walk of the Bullrun" angeboten. Da spaziert man gemütlich
mit Guide über die Strecke des Encierro - ohne Bullen, versteht
sich. Es ist nicht zu fassen, womit Reiseunternehmen heute den
Leuten ihr Geld (oder hier wahrscheinlich eher das der Eltern...)
aus der Tasche ziehen.
Die
Japaner sind natürlich auch mit von der Partie - die Tradition der
Kamikaze-Kämpfer verpflichtet.
Nach neuerlichem Gedankenaustausch
mit Österreich begeben wir uns ins Bett, denn wir müssen morgen um 6
aufstehen, um pünktlich zum Encierro, dem Stierrennen, in Pamplona
zu sein.
Freitag, 13. Juli 2007
Um 6
reißt uns der Handy-Wecker mit dem Brings-Song „Su lang mer noch am
Lääve sin“ jäh aus den Träumen. Wie passend… Draußen ist es noch
dunkel, aber die „Encierro-Pänz“ sind auch schon alle in Action,
machen sich fertig für den Bullrun um 8 – genau wie wir.
Wir sind zwar
noch müde, aber wir sagen uns: Auf in den Kampf, Torero!
Logo der Sanfermines 2007
Um
Viertel nach 7 sind wir mit dem Roller unterwegs nach Pamplona. An
der Calle Nueva stellen wir unseren Fury ab und erkundigen
uns, wo man den Encierro sehen kann.
Strecke des Encierro in Google Maps
Größere Kartenansicht
An
der Plaza Consistorial mit dem Blumen geschmückten barocken
Rathaus von 1754 stehen wir dann gemeinsam mit dem spanischen
Fernsehen und warten auf den Startschuss des Stierlaufs. Doppelte
hohe Holzbarrieren verhindern eine Gefährdung der Zuschauer durch
die vermutlich verängstigten, auf jeden Fall aber provozierten
Stiere und gewährleisten, dass die Mozos, die sich in Sicherheit
bringen wollen oder verletzt werden, unbehindert von den Zuschauern
in den Zwischenraum zwischen den beiden Schutzzäunen springen oder -
im schlechteren Fall - transportiert werden können. Die Barrikaden
behindern allerdings unsere Aussicht auf den Encierro erheblich,
zumal viele Zuschauer wie die Hühner auf der Stange darauf Platz
genommen haben.
Punkt 8 Uhr
ertönt der Startschuss, und dann geht alles sehr schnell. Der
Encierro ist ganze 825 m lang, und daher ist die Hatz in knapp 4
Minuten vorüber. Durch die Barrieren sehe ich nur Stier- und weiße
Hosenbeine. Die folgenden Bilder vom Stierlauf habe ich mir darum
aus dem Internet geholt.
Eine Szene allerdings, die sich
genau vor mir abspielt, und die auch anschließend mehrfach im
Fernsehen gezeigt wird, kann ich genau gesehen: Einer der Burschen,
die mit den Stieren rennen, tritt von der Seite her nach einem
Stier. Die ganze Geschichte hier ist schon übel genug, aber das ist
wirklich die Höhe.
Ein Mozo wurde
offensichtlich verletzt - der Kameramann filmt wie wild. Nach dem
Rennen bringen Sanitäter den Verletzten zum hinter uns wartenden
Rettungswagen. Die Zuschauer klatschen anerkennend. Ein Held! Für
mich ist er ein Idiot. Warum bringt so ein Junge sich ohne Not in
Gefahr? Wie mögen seine Eltern wohl darüber denken?
Der Verletzte
ist, wie ich später in einer spanischen Zeitung lese, ein
23-jähriger Mexikaner namens Rafael Estrada.
Der 23-jährige Rafael Estrada Ávila wird diesen Tag
sicher nicht vergessen. Der sechste Tag der Feria de San Fermin in
Pamplona wäre fast sein letzter gewesen. Der Patient ist nach
Auskunft des Krankenhauses aber inzwischen auβer Lebensgefahr. Die
Operation dauerte drei Stunden, wie die Zeitung Milenio berichtet.
Der Kommentar des Jünglings zu dem Vorfall:
“Wir Mexikaner haben vor nichts Angst”
(Quelle: Website "InfoMexico")
Wenn
man das liest, kann man sich nur noch an den Kopf fassen...
Nach dem Encierro schlendern wir
durch Pamplona. Rund um uns herum ist alles weiß und rot. Fast jeder
trägt hier die angesagte Gewandung der Sanfermines. Erstaunlich,
dieser Lokalpatriotismus! Günther zieht einen Vergleich mit
dem rheinischen Karneval. „Da läuft doch nicht mal die Hälfte der
Bevölkerung verkleidet durch die Straßen.“ Na ja, der Vergleich
hinkt nun aber doch ein bisschen, oder? Sich weiß-rot in Schale zu
werfen, ist ja wohl etwas anderes als ein bekennender Jeck zu sein.
Um hier nicht allzu unangenehm aufzufallen, kaufen
wir uns wenigstens ein rotes Halstuch, das ich gut sichtbar an
meiner Tasche verknote.
An
der Kathedrale angekommen stellen wir fest, dass sie erst ab 10
geöffnet ist. Also suchen wir nun in aller Ruhe den Busbahnhof, von
wo um 9.30 Uhr die Prozession der Gigantes und Cabezudos
losmarschiert. Wir haben noch massig Zeit bis dahin und genehmigen
uns darum in aller Ruhe in einem Straßenlokal einen Milchkaffee und
werfen einen Blick in den Reiseführer.
Pamplona
wurde um 75 v. Chr.
von den Römern
gegründet. Der
strategische
Vorposten der Basken
wurde 476 n. Chr.
von den Westgoten
erobert, kam Anfang
des 8. Jahrhunderts
unter maurische
Herrschaft und wurde
schließlich dem
Reich Karls des
Großen einverleibt
(778). 905 wurde die
Stadt Hauptstadt des
Königreiches
Navarra. Philipp II.
von Spanien baute
die Stadt zur
Festung aus (1571).
Während des
Spanischen
Unabhängigkeitskrieges
(1808-1814) wurde
sie jedoch zweimal
eingenommen: zuerst
1808 von den
Franzosen und 1813
von den Briten.
|
Die
Gigantes und Cabezudos erscheinen pünktlich um halb 10 vor
dem schönen alten Busbahnhof Pamplonas und ziehen wirklich eine
nette Show ab. Mir gefällt vor allem die baskische Musik, zu der sie
tanzen. Wir begleiten sie eine ganze Weile auf ihrem Weg ins
historische Zentrum von Pamplona.
Anschließend bummeln wir noch eine Zeit lang durch die Altstadt,
schauen uns die Zitadelle
und die Plaza de Toros an und besichtigen die
mittelalterliche Wehrkirche
San Nicolás (1117 erbaut).
|
|
Zitadelle |
Plaza de Toros -
Stierkampfarena |
San Nicolás
Um
10 öffnet sich dann auch endlich das Portal der Kathedrale (14./15.
Jh.), die einen sehenswerten gotischen Kreuzgang hat. Schade, wir
haben unsere Pilgerausweise nicht dabei. In der Kathedrale werden
wir gefragt, ob wir peregrinos, Pilger, wären. Sind wir – wir
nicken eifrig, aber wir haben keinen Ausweis dabei. Dann ist der
Eintritt für euch billiger, sagt man uns. Aha. Man glaubt uns auch
ohne Ausweis, dass wir pilgern. Sehen wir jetzt schon so fertig aus?
Auf das Faltblättchen, das man fast immer in Kirchen bekommt, für
die man Eintritt zahlen muss, lassen wir uns unseren ersten Stempel
geben. Mit diesem erhebenden Erlebnis endet unser Rundgang durch
Pamplona.
Die gotische
Kathedrale Pamplonas,
errichtet zwischen
1397 und 1530, mit
einer im 18.
Jahrhundert von
Ventura Rodriguez in
neoklassischem Stil
neugestalteten
Fassade, zählt zu
den bedeutendsten
religiösen Bauwerken
in Spanien.
Besonders wertvoll
ist das Klaustrum.
Im mittleren
Kirchenschiff
befindet sich das
Königs-Mausoleum aus
Alabaster, errichtet
1415. Erwähnenswert
sind auch der Altar
aus dem 15.
Jahrhundert, die
Barbanza-Kapelle aus
dem 14. Jahrhundert,
die Fuente de la
Cruz mit dem Grabmal
der Grafen von Gades
und die Anbetung der
Könige sowie die
Reliquien des
heiligen Grabmals
und des Lignum
Crucis im
Diözesanmuseum.
|
Königsgrab aus Alabaster
Gegen 12 sind wir wieder auf dem Campingplatz und setzen nach einem
erfrischenden Bad im Pool unsere vorerst noch motorisierte
Pilgerschaft zum Grab des Heiligen Jakob fort.
Nun
sind wir also auf dem "wahren" Camino de Santiago. Von Pamplona bis
Sarrià werden wir per Womo zu den Hauptstationen des Camino francés
"pilgern" und die letzten Stationen von Sarrià bis Santiago de
Compostela zu Fuß zurücklegen.
Gesamtroute von Pamplona bis
Sarrià (Beginn der Pilgerwanderung)
Route 1: Von Pamplona
bis Santo Domingo de la Calzada - 156 km
Vor Puente la Reina biegen wir von der Route
rechts ab und folgen der Beschilderung zur Kirche Santa Maria de
Eunate, die wenige Kilometer entfernt inmitten von Feldern
liegt.
Wenn man sich der Kirche nähert, spürt man
bereits den eigenartigen Zauber, der von diesem Ort ausgeht.
Eunate - sein Ursprung liegt
im Dunkeln. Einsam liegt es, umrahmt von Sonnenblumen- und
Weizenfeldern, und soll ein Ort sein, der dem Menschen innere Kraft
gibt.
Santa Maria de
Eunate
ist eine romanische
Kirche am
aragonesischen Zweig
des Jakobswegs in
Navarra. Die Kirche
hat einen
achteckigen
Grundriss und eine
außen fünfeckige und
innen halbrunde
Apsis. Das Oktogon
ist kunstvoll mit
zwei Portalen und
Arkaden versehen,
die kleinen Fenster
sind aus Alabaster,
die Kapitelle und
die Portale sind
reich verziert.
Mozarabische
Einflüsse lassen
sich an den
wulstigen Rippen
ablesen, die sich,
von den Pfeilern
ausgehend, in der
Kuppel des
Kirchenraums treffen
und das Gewölbe
tragen.
Außen ist die kleine
Kirche von Arkaden
umbaut, die dem
Bauwerk wohl zu
seinem Namen
verholfen haben
(baskisch: Eunate
– hundert Tore,
hunderttorig).
Der Arkadenumgang
ist wiederum von
einer Mauer umgeben.
Aus den fehlenden
Bauspuren schließt
man, dass es
zwischen Kirche und
Arkadenumgang nie
eine Überdachung
gegeben hat, wie sie
andernorts zum
Schutz der Pilger
vor Witterung und
als
Übernachtungsmöglichkeit
errichtet wurde.
Die Kirche wurde
vermutlich in der
zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts im
romanischen Stil und
mit mozarabischen
Einflüssen erbaut.
Da sie von keiner
Siedlung umgeben ist
und bei Grabungen
Gräber mit Muscheln
als Grabbeigaben
entdeckt wurden,
liegt die Vermutung
nahe, dass sie als
Friedhofs- oder
Hospizkirche für
Pilger diente.
Möglicherweise war
sie aber auch eine
Kapelle, die die
Templer als
Heiliggrabkirche
nutzten, dafür
spricht die Vorliebe
der Templer für den
Zentralbau. Zudem
besteht eine
Ähnlichkeit zur nahe
gelegenen
Heiliggrabkirche in
Torres del Río.
Die Lage der Kirche,
ihre teilweise
ungeklärte
Geschichte sowie die
spezielle Stimmung
in der Kirche regten
viele Menschen zu
Spekulationen an. So
existiert in der
Gegend der Kirche
eine Sage, die die
Ähnlichkeit des
Kirchenportals mit
dem einer anderen
nahen Kirche dem
Wirken
übernatürlicher
Kräfte zuschreibt,
während sie wohl nur
Beleg für das Wirken
des gleichen
(unbekannten)
Steinmetzes ist.
Weiterhin glauben
Anhänger bestimmter
esoterischer
Richtungen, dass
Eunate neben Notre
Dame de Paris und
dem Taj Mahal einer
der vier Kraftorte
dieser Erde sei.
|
In der einheimischen
Bevölkerung soll Santa Maria de Eunate vor allem als
Hochzeitskirche beliebt sein. Hier würde ich mich auch trauen, wenn
die katholische Kirche uns noch mal ließe…
Vor der Kirche rasten einige völlig erschöpfte
Pilger. Es ist heiß, und die letzte Wegstrecke, die sie heute
zurückgelegt haben, hatte es in sich (habe ich im Pilgerführer
gelesen) - trotzdem - ich würde gerne mit ihnen tauschen. Schon
jetzt spüren wir die Anziehungskraft, die der Jakobsweg ausübt. Hier
an diesem Ort wären wir gerne zu Fuß und mit unserem Gepäck auf dem
Rücken angekommen. Günther fühlt sich sogar regelrecht
schuldbewusst, weil wir hier mit dem Womo vorgefahren sind.
In Eunate holen wir uns den ersten Stempel für den
„credencial de peregrino“, unseren
Pilgerpass. Vor der nahe der Kirche stehenden urigen „Albergue“,
steht ein Tisch mit dem eminent wichtigen Utensil.
Und
da prangt er also nun in unseren Pilderausweisen: Der erste Stempel!
Wer die Albergue von Eunate betreibt, können
wir vor Ort nicht herausfinden. aber – Internet sei Dank – daheim an
meinem PC bin ich fündig geworden. Im
Pilgerforum von Thekla und Aloys schreibt Jochen Schmidtke, von
dem wir später in Santiago noch hören werden:
“Ich war Mitte April 2007 in St. Eunate. Es gibt im Internet viele
widersprüchliche Infos zu dieser Unterkunft. Es steht zwar ein
Schild "Albergue" an dem Haus und ein Tisch mit einem Stempel davor.
Weil ich zuverlässige Infos für mein Unterkunftverzeichnis haben
wollte habe ich dort angeklopft. Die Bewohner des Hauses, ein Mann
und eine Frau (die Deutsch sprach), erklärten mir ausdrücklich, daß
das Haus ein privates Wohnhaus sei. Es sei aber KEINE richtige
Herberge. Sie haben zwar einen Raum mit 8 Betten für Pilger und
nehmen auch Pilger auf.
Wenn sie eine "richtige" Herberge wären, müßten sie aber einen Teil
ihre Freiheit aufgeben und einer von ihnen ständig im Hause sein um
die Herberge offen zu halten.Quintessenz: Man kann sich nicht auf
die Öffnung dieser Herberge verlassen und sie in seinen Etappenplan
einbauen.“
So ist zum Glück meine Neugierde nun
befriedigt.
Schweren Herzens reißen wir uns von Eunate los, um
unseren Weg fortzusetzen, der uns nach kurzer Fahrt nach
Puente la Reina bringt, wo der aragonesische Zweig des
Jakobswegs, der Camino francés, auf den von Norden kommenden
Pilgerweg, den Camino Inglés, trifft. Bei Obanos
befindet sich die historische Weggabelung, wo sich die vom Cisa- und
Somport-Pass kommenden Pilgerwege vereinen. Der gemeinsame Weg führt
dann über die alte Brücke der Königin, die Puente la Reina,
die den Fluss Arga überspannt.
Am Ortseingang von Puente la Reina entdecken
wir ein Pilgerdenkmal, das in knapp zwei Wochen auch zu unseren
Ehren dort stehen wird…
Puente la Reina
- Name und
Entwicklung sind mit
der von der
navarresischen
Königin Dona Mayor,
Frau des Königs
Sancho Mayor, oder
ihrer
Schwiegertochter
gestifteten Brücke
verbunden. Bei aller
Unsicherheit
bezüglich der
Stifterin, sicher
ist die Konstruktion
der Brücke in der
ersten Hälfte des
11. Jahrhundert.
Weil
Flussüberquerungen
gefährlich, Umwege
weit und Fährdienste
teuer waren,
konzentrierten sich
daher die
Pilgerströme schnell
auf diese Brücke. Es
folgten die
Ansiedlung von
Franken und die
Gründung eines
Marktfleckens. Die
Entwicklung der
Stadt ist Beispiel
für die
Infrastrukturprojekte
dieser Zeit und ihre
Wirkung und ist am
Jakobsweg in
vergleichbarer Form
häufig zu finden.
Sehenswürdigkeiten:
Iglesia del
Crucifijo
-
Kirche des
ehemaligen
Templerklosters
(13./14. Jh. mit
einem romanischen
Portal von der
vorherigen Kapelle
stammend und einem
Y-Kreuz der
Spätgotik als
Besonderheiten.
Letzteres soll aus
dem Rheinland
stammen.
Santiago-Kirche
- 12.–16.Jh., mit
einem typisch
navarrischen
romanischen
Zackenportal. Der
Turm stammt aus dem
18. Jh., am Portal
verwitterte Szenen
der
Schöpfungsgeschichte,
innen Holzfigur
Santiago Peregrino
mit Stab und Muschel
aus dem 14. Jh.
Beachtenswert sind
auch die alten,
wappengeschmückten
Adels- und
Bürgerhäuser entlang
der alten
Hauptstraße. Bei
vielen finden sich
kunstvoll
gearbeitete
Dachsparren, ein
Charakteristikum
navarrischer
Architektur.
|
Die sechsbogige romanische Brücke über den
Arga-Fluss, die einen leichten Scheitelknick aufweist, darf
heute nur noch von Fußgängern überquert werden, aber von der
modernen neuen Brücke hat man einen guten Ausbick auf die "Brücke
der Königin".
Iglesia del Crucifijo
Die
Landschaft, die wir jetzt durchqueren, ist geprägt von Weizenfeldern
und Weinplantagen. Wir fahren auf Logroño zu, das in der
Rioja liegt, einem der bekanntesten Weinanbaugebiete Spaniens.
Hier tummeln sich Weingüter und Burgruinen wie Enten am Teich (Foto
unten: Castillo de Arnedo).
La Rioja,
autonome Region im
Norden Spaniens mit
der Hauptstadt
Logroño. La Rioja
umfasst den
westlichen Teil des
Ebrobeckens und die
Sierra de la Demanda,
einen Ausläufer des
Iberischen
Randgebirges. Das
Weinbaugebiet Rioja
zählt zu den
bedeutendsten in
Europa; die
Rebfläche ist mehr
als 30 000 Hektar
groß. Darüber hinaus
werden Zuckerrüben,
Ölbäume, Getreide
und Gemüse angebaut.
Zu den wichtigsten
Produktionszweigen
des insgesamt wenig
industrialisierten
Gebietes gehören die
Herstellung von
Textilien und die
Verarbeitung von
Nahrungsmitteln.
|
Logroño
wollen wir eine Kurzvisite abstatten – Blick auf den Dom und die
alte Puente de Piedra aus dem 12. Jahrhundert und Abmarsch.
Dank unseres GPS-Empfängers klappt dieses Kurzsightseeing auch
bestens.
Puente de Piedra
Logroño
entstand an einer
Furt des Flusses
Ebro und wurde im 1.
Jh. unter dem Namen
Vareia
Hauptort eines
Keltenstammes. Neben
der erwähnten Furt
bauten die Römer
neben der Furt eine
erste Brücke. Im 6.
Jh. wurde Logroño
von den Westgoten
zerstört. Im 8. Jh.
eroberten die Mauren
Logroño und nannten
es Albaida –
die Weiße. Sancho
Garcés von Navarra
eroberte es vereint
mit König Ordoño II.
von León, danach
blieb es eine
bedeutungslose
landwirtschaftliche
Siedlung und wurde
1092 durch El Cid,
der zu dieser Zeit
auf Seiten der
Mauren kämpfte,
abermals zerstört.
1095 wurde Logroño
wieder aufgebaut und
mit Stadtrechten
versehen. 1099
erhielt die Stadt
mit dem Neubau der
Brücke das Privileg
des Flussübergangs.
Mit der Brücke wurde
die Stadt zur
wichtigen
Pilgerstation am
Jakobsweg. Damals
entstand das Motto
"la ciudad como el
camino" – die Stadt
richtet sich nach
dem Wege.
Sehenswürdigkeiten:
Kathedrale de La
Redonda
(siehe unten),
Iglesia de San
Bartolomé,
Iglesia de Santa
María del Palacio,
|
Die kleine Sightseeing-Tour durch
Logroño
hat uns nicht lange aufgehalten, und
so sind wir bald wieder auf dem Camino Richtung Najéra,
wo wir uns das Monasterio
Santa Maria La
Real ansehen wollen. Am Fluss Najerilla finden wir
einen Parkplatz und eine Bar, wo wir uns ein eiskaltes Wasser / Bier
genehmigen, bevor wir der malerischen Altstadt und dem Kloster mit
seiner schönen alten Kirche einen Besuch abstatten. Zweiter Stempel!
Nájera
- ehemals Hauptstadt der Rioja und
Residenz der navarrischen Könige.
Die Altstadt, ein enges Gewirr von
Straßen und Gassen, die sich um die
Plaza España gruppieren. Herzstück
der Stadt ist das Monasterio
Santa Maria La Real aus dem 11.
Jahrhundert. Es wird von
Kapuzinermönchen bewohnt, die sich
auch heute noch um erschöpfte Pilger
kümmern. Besonders interessant ist
das Pantheon der Könige in der
gotischen Klosterkirche. Die
Grabdeckel navarrischer und
kastilischer Könige, versehen mit
prächtigen Skulpturen, legen Zeugnis
von der großen Vergangenheit des
Ortes ab. Auch der Kreuzgang des
Klosters lohnt einen Besuch.
|
Monasterio
Santa Maria La Real
Auch hier muss man,
wie in vielen spanischen Kathedralen und Klöstern, Eintritt
bezahlen. Da es aber in Spanien keine Kirchensteuer gibt, ist es
verständlich, dass die Kirche und der Staat zum Erhalt der vielen
wunderbaren Sakralbauten Geld eintreiben muss.
Königsmausoleum
Nun sind wir aber
rechtschaffen müde (obwohl wir ja noch keinen Meter gepilgert sind)
und wollen nur noch auf den anvisierten Campingplatz "Bañares" in
Santo Domingo de la Calzada, den wir dann zum Glück auch
auf Anhieb finden.
|
Ctra. Domingo de la Calzada. N-120m km.42
26250 - Santo Domingo de la Calzada
GPS: 42º 26' 27" / -3º 4' 56"
|
|
O jeh,
das ist eine
Campingstadt, wie wir sie gar nicht mögen (Satellitenbild unten
links). Dauercamper mit Gartenzwergen vor der Tür (jeder hat
natürlich sein eigenes Törchen und hohe Hecken um sein
„Grundstück“). Aber – es gibt einen Pool mit olympischen Ausmaßen,
herrlich gepflegt und wunderbar kühl. Zischend versenken wir unsere
ausgetrockneten Körper in den blauen Fluten.
Am Abend sitzen wir
draußen vor dem Womo und philosophieren über den Jakobsweg, die
Pilgerschaft und unsere Vorstellung, was sie für uns bedeuten
könnte. Es ist gut, wieder gemeinsam über Gott und das jenseitige
Leben zu reden. Zu lange haben wir das Thema aus unserem Leben
verdrängt. – Aus Verzweiflung, Mutlosigkeit oder vielmehr tiefer
Hilflosigkeit. Vielleicht wird der Jakobsweg uns ja nicht nur nach
Santiago de Compostela und nach Finisterre, an das Ende der
mittelalterlichen Welt, bringen, sondern auch wieder ein wenig näher
zu Gott.
Samstag, 14.07.07
Morgens fahren
wir ins Ortszentrum von Santo Domingo de la Calzada,
um uns den alten Ortskern anzusehen und die wegen einer Kuriosität
vermutlich berühmteste Kathedrale am Jakobsweg zu besichtigen.
Am
Ortsausgang finden wir einen Parkplatz und spazieren durch eine
schmale, idyllische Straße Richtung Kirche. Wir halten Ausschau nach
einem Laden, der Wanderkleidung führt, weil Günther Wandersocken
braucht. Wandersocken führende Geschäfte gibt’s hier wohl nicht, was
uns wundert. Die Pilger könnten bis hierher längst ein Paar Strümpfe
durchgelaufen und Bedarf an neuen haben. Immerhin finden wir einen
Laden, der gutes Kartenmaterial anbietet und Jakobsmuscheln, die man
sich an den Rucksack hängen kann.
Santo Domingo de la
Calzada
– Der Name des Ortes
ist identisch mit
dem seines Gründers,
Domingo García,
genannt Santo
Domingo de la
Calzada, der Ende
des 10., Anfang des
11. Jahrhunderts
hier für die
vorbeiziehenden
Pilger eine Brücke
und ein Hospital
erbaute sowie Wege
anlegte und
befestigte.
Heinrich II. von
Kastilien
starb 1379 in Santo
Domingo de la
Calzada.
Kathedrale
Baubeginn 1098,
Weihe 1106. Die
gotische Kathedrale
wurde über einem
romanischen
Vorgängerbau
errichtet. Sie ist
dreischiffig und mit
Chorumgang angelegt,
der Grundriss
entspricht einem
lateinischen Kreuz,
die Gewölbe sind die
Kreuzgewölbe der
Pilgerromanik.
Der
platereske
Hochaltar wurde um
1540 eingebaut. Um
1158 wurde die
Kathedrale zwecks
der Aufnahme des
Grabmals
Domingo Garcías
erweitert. Das
Grabmal wird
bestimmt von einer
romanischen
Alabasterfigur unter
einem spätgotischer
Aufbau, die Seiten
sind mit
Wunderszenen aus dem
Leben und Wirken
Domingo Garcías
verziert. Das
ebenfalls ihm
zugeschriebene
Hühnerwunder wird
mit einem
spätgotischen
Hühnerkäfig
gewürdigt, der von
einem wechselnden
Hühnerpaar bewohnt
wird.
Die
gesamte Kathedrale
kann man nur durch
Besuch des
eintrittspflichtigen
Kathedralmuseums
besichtigen. Das
Grabmal und den
Hühnerkäfig allein
kann man aber sehen,
wenn man das Museum
durch den
Hinterausgang am
Kathedralplatz /
Plaza del Santo
betritt.
Glockenturm
Bauzeit: 18. Jh.,
Höhe: 70 m. Er
gehört baulich nicht
zur Kathedrale,
sonder steht ca. 10
m von ihr entfernt.
Vom quadratischen
Grundriss geht er in
einen achteckigen
Aufbau über und
endet in einer
runden Laterne. Er
wird als schönster
Barockturm der Rioja
(Moza de Rioja)
bezeichnet.
|
Plaza España
Zisterzienser Kloster
Kathedrale San Salvador
Die
Kathedrale San Salvador ist wegen der im ehrwürdigen Gotteshaus
gackernden Hühner die vermutlich berühmteste Kirche am Jakobsweg.
Ein schneeweißer Hahn und eine ebensolche weibliche Lichtgestalt an
seiner Seite leben dort in einem – zugegeben schicken - Stall über
einem der Portale. Tiergerechte Haltung ist das sicherlich nicht,
denke ich, als ich die Viecher dort beim Verlassen der Kathedrale
endlich entdecke. Aber dann lese ich, dass die Tiere alle 6 Wochen
ausgetauscht werden und sich dann erst einmal in einem
"ordentlichen" Hühnerstall in der örtlichen Herberge von der
Sonnenfinsternis in der Kirche erholen dürfen, bevor sie erneut zum
Dienst antreten müssen. Ursache für diese Kuriosität ist eine
Legende - wie so oft am Jakobsweg.
Legende von Santo
Domingo de la Calzada:
Eine Familie pilgerte im 14.
Jahrhundert nach Santiago. In Santo
Domingo versuchte die Magd des
Wirtshauses den Sohn Hugonell zu
verführen. Dieser wies sie jedoch
zurück, worauf hin sie sich für die
Zurückweisung rächte, in dem sie ihm
einen Silberbecher in sein Gepäck
steckte und ihn am nächsten Morgen
des Diebstahls bezichtigte. Der
junge Mann wird festgenommen und
gehängt, doch bevor die Eltern die
Reise fortsetzten, vernahmen sie
seine Stimme, er hänge am Galgen,
lebe aber noch, da er vom heiligen
Jakobus noch an den Beinen gehalten
würde. Die Eltern eilten sofort zum
Richter, der im Wirtshaus gerade ein
Huhn und einen fliegen davon - womit
die Unschuld des Sohnes bewiesen
war. Hahn verspeiste. Auf die
Erzählung der Eltern lachte dieser
herzhaft mit der abfälligen
Bemerkung, ihr Sohn sei genauso
lebendig wie die beiden Vögel auf
seinem Teller. Kaum gesagt, wächst
denen neues Gefieder und sie fliegen
davon - womit die Unschuld des
Sohnes bewiesen war.
Seitdem leben ein
Huhn und ein Hahn in der Kathedrale
von Santo Domingo de la Calzada.
|
Na gut, nette Geschichte. Das Innere der Kirche
ist sehr duster und verkörpert für mich vieles, was mich an der
katholischen Kirche stört: Zu wenig positive Ausstrahlung, Muff von
Jahrhunderten der Unterdrückung von Gläubigen, Gebote, die gänzlich
unnötig sind - oder wo steht in der Bibel, dass Priester nicht
heiraten dürfen, oder dass man an die Unfehlbarkeit des Papstes
glauben muss, oder dass man in dieser Kirche nicht fotografieren
darf, nicht einmal ohne Blitz? Und was mache ich, wenn ich Ge-/Verbote
nicht verstehe? Ich umgehe sie – wie viele andere Katholiken auch.
Und was hat die Kirche jetzt davon? Nix.
Den Störchen ist das egal, sie scheren sich nicht
um Verbote der Kirche und bauen ihre Nester ungeniert auf den
Kirchendächern.
Route 2:
Santo Domingo de la Calzada bis Sahagun - 265 km
Hinter Santo Domingo de la Calzadas verlassen wir die Rioja und
kommen in die autonome Region Castilla y Léon.
Kastilien
(spanisch: Castilla)
- Auf seinem
Höhepunkt im
Spätmittelalter
erstreckte es sich
vom Golf von Biscaya
im Norden bis
Andalusien im Süden
und umfasste den
Großteil der
Iberischen
Halbinsel.
Altkastilien, dessen
Name von der
Vielzahl alter
Burgen an der Grenze
zum
Herrschaftsbereich
der Mauren herrührt,
stand vom 8.
Jahrhundert bis 1037
unter der Herrschaft
der Könige von
Asturien und León,
als Ferdinand I. das
Vereinigte
Königreich von
Kastilien und León
gründete. 1058 wurde
beim ersten einer
Reihe von
Kriegszügen gegen
die Mauren das
spätere Neukastilien
erobert. Das
Königreich
vergrößerte sich vor
allem während der
Regentschaft von
Alfons VI.
(1065-1109). Unter
Alfons X.
entwickelte sich das
kulturelle Leben des
Königreiches, doch
folgte eine lange
Periode innerer
Spannungen. 1469
bildete die Heirat
von Ferdinand II.
von Aragonien (dem
späteren Ferdinand
II. von Kastilien)
mit Isabella I. von
Kastilien und León
die Grundlage für
die Vereinigung der
Königreiche von
Aragonien und
Kastilien,
schließlich von ganz
Spanien.
Heute
lebt der Name
Kastiliens in zwei
autonomen Regionen
Spaniens fort:
Castilla-La Mancha
(Hauptstadt: Toledo)
und Castilla y León
(Hauptstadt:
Valladolid).
|
Unsere Fahrt wird begleitet von Sonnenblumen- und
Weizenfeldern, die sich bis an den Horizont erstrecken. Es ist heiß
heute. Hoffentlich halten wir diese Temperaturen während unserer
Pilgerwanderung aus.
Der nächste Stopp
des Tages ist in Burgos.
Burgos
besteht aus der
Altstadt am Westufer
des Arlanzón und dem
modernen Stadtteil
am Ostufer.
Die
Stadt wurde im
neunten Jahrhundert
gegründet und war
von 1035 bis 1560
Hauptstadt des
Königreiches
Kastilien und León.
1074 wurde sie
Bischofssitz und
1574 Sitz des
Erzbischofs. Im 15.
Jahrhundert war
Burgos
Handelszentrum von
Kastilien, verlor
später jedoch immer
mehr an Bedeutung.
1833 wurde Burgos
Provinzhauptstadt.
Im Spanischen
Bürgerkrieg
(1936-1939) war
Burgos bis zur
Eroberung Madrids
Sitz der
nationalistischen
Regierung General
Francos.
|
Uns ist klar, dass es hier
problematisch sein wird, einen Parkplatz in der Nähe
der Kathedrale zu finden. Hier liegt auch die schöne
alte Puente de Santa Maria, und siehe
da, nachdem wir sie überquert haben, entdecken wir
rechts der Brücke einen Busparkplatz. Jetzt sagen
wir einfach mal, dass unser Hiram ein Bus ist, und
setzen ihn hier für eine halbe Stunde ab.
Puente de Santa Maria
Auf der Puente de Santa Maria (Foto unten)
überqueren wir den Rio Arlanzón, einen der
beiden schmalen Flüsse, die durch Burgos
fließen und gelangen auf den Paseo Empecinado,
die schön gestaltete Uferstraße, die entlang der
Altstadt verläuft. Wenn wir uns nach rechts wenden
würden, kämen wir zum El Cid-Denkmal, das ich gerne
gesehen hätte, aber wir müssen uns leider auf die
Besichtigung der Kathedrale beschränken.
So schreiten wir also durch das
Stadttor Puerta de Santa Maria (Foto oben)
aus dem 16. Jahrhundert, das mit schönen Statuen
geschmückt ist, und erreichen nach wenigen Metern
die trutzige Kirche, die den Menschen in Burgos
sicher ebenso viel bedeutet wie uns der Kölner Dom.
Ob es hier auch so herrliche Dom-Lieder gibt? Am Dom
zu Kölle, zu Kölle am Rhing, da läuten die Gocken,
so prächtich un fing, singt es da gleich in meinem
Kopf. Da ist er wieder, mein Lokalpatriotismus. -
Am Dom zu Burgos am Fluss
Arlanzón, da läuten die Glocken so prächtich un
– ja, was reimt sich jetzt vernünftig auf Arlanzón?
Schluss damit, jetzt haben wir dafür gar keine Zeit!
Außerdem erfordern andere Kulturen, dass man
umdenkt. Vielleicht lasse ich ja das mit den Glocken
und reime was auf die Türme – zum Beispiel: sieht
man die Türme von weitehem schon. Na ja. - Noch mit
dem neuen Burgos-Hit beschäftigt, trifft mich der
Anblick der trutzigen Kathedrale mit voller Wucht.
Nachdem wir uns lange in
ehrfurchtsvoller Bewunderung dieses Bauwerks auf dem
Platz vor der Kathedrale aufgehalten haben, kümmern
wir uns um die Eintrittsbilletts zur Besichtigung
der Kirche. Wir erhalten wieder verbilligte Tickets
für arme Pilgersleut’ (1 Euro gegenüber 4 Euro
Normalpreis) und einen feinen Stempel.
Die
Kathedrale von
Burgos (1221
begonnen und 1567
vollendet) ist eines
der schönsten
gotischen Bauwerke
Spaniens. Nach den
Kathedralen von
Sevilla und Toledo
hat Burgos die
drittgrößte
Kathedrale Spaniens
vorzuweisen. Zwei 84
m hohe Türme
beherrschen die
Hauptfassade. Die
Bischofskirche ist
aus weißem Kalkstein
und hat einen
zweigeschossigen
Kreuzgang. Das
Innere der
Kathedrale besitzt
ein riesiges
ausgeschmücktes
Kuppelgewölbe im
Mittelschiff im
plateresken Stil,
das von Juan de
Vallejo im Jahre
1568 kreiert wurde.
Unter einer
Kupferplatte
befinden sich hier
die Gräber von
Fernán González und
El Cid, den
Nationalhelden von
Burgos. Über die „Escalera
Dorada“, einer
vergoldeten Treppe
von Diego de Siloë
gelangt man zur
Puerta de la
Coronería. Das
zweireihige
Chorgestühl ist vom
Rest der Kathedrale
abgetrennt und wurde
1521 von Felipe
Vigarny konstruiert.
Besonders
bemerkenswert ist
das Portal, "Puerta
de Sarmental" und
die Kapelle "Capilla
del Condestable" aus
dem 15. Jahrhundert.
Unter der gezierten
Kuppel liegen seit
1921 der
Nationalheld
Spaniens, El Cid,
und seine Gemahlin
Jimena begraben.
Die UNESCO hat die
Kathedrale zum
Weltkulturerbe
erklärt
|
Kuppel im Hauptschiff
Chorgestühl
links: Grabplatte des Cid
Capilla del Condestable
Die Capilla del Condestable
wurde von Simon von Köln für den Obersten Feldherren Kastilien-Leóns
Pedro Hernández de Velasco im Jahre 1494 erbaut. Dieser ist hier
auch neben seiner Gattin beerdigt. Ihre Gräber sind jeweils mit
nachgebildeten Figuren geschmückt.
|
|
Das Condestable-Grabmal
|
Kuppel der Kapelle
|
Puerta del Sarmental
Gerne wären wir nach der Besichtigung der Kathedrale noch ein wenig
über den Paseo del Espolón geschlendert, der wunderschön
angelegt sein soll, aber wir wollen unser Glück nicht strapazieren –
vielleicht haben wir ja bisher noch keine Knolle bekommen. Und
wirklich: Unser Womo wartet frei von lästigen Zetteln an der
Windschutzscheibe auf dem Busparkplatz auf seine Bewohner.
Die
Fahrt durch die Meseta, die wir uns viel trostloser
vorgestellt hatten, geht weiter. So weit das Auge reicht goldene
Weizenfelder. Man kann sich gut vorstellen, dass Hape Kerkeling auf
dieser Etappe durch die Meseta Probleme mit den Augen hatte. Wenn
man stundenlang nur den in der Sonne hell leuchtenden Weizen sieht,
kann das sicher sehr schmerzhaft für die Augen sein. Viele Pilger
berichten wohl, dass die Wanderung durch die Meseta mit zu den
stärksten Eindrücken ihrer Pilgerschaft gehört. Manche glauben, vier
Horizonte zu sehen. Na bitte, der Camino erweitert den Horizont also
nicht nur im übertragenen Sinne.
Unser nächstes Etappenziel ist Frómista mit seiner
alten Kirche San Martin, die die schönste Kirche sein soll,
die die Romanik in dieser Gegend hervorgebracht hat. Der Name
Frómista kommt aus dem Lateinischen - frumentum = Weizen.
Logisch, so viel Weizen haben wir bisher nur auf Sizilien gesehen.
Als wir in dem kleinen, verschlafenen, eher
unansehnlichen Nest ankommen, sehen wir erst einmal zwei trutzige
Kirchen, die zwar wegen ihrer Gewaltigkeit imposant aussehen, aber
nicht recht zu der Beschreibung von San Martin passen, doch
dann entdecken wir die kleine Kirche, die wirklich wunderschön in
der Ausgewogenheit ihrer Architektur ist. Leider ist sie im Sommer
von 14 – 16.30 Uhr geschlossen. Es ist gerade 14.45 Uhr. Da wir
San Martin aber unbedingt besichtigen möchten, genehmigen wir
uns eine Siesta in einem kleinen Lokal, essen Tortilla mit
Kartoffeln und Pilzen und tun etwas für unseren Wasserhaushalt. Es
ist heiß wie in einem Backofen!
Denn verschlossen war das Tor…
Um 16.30 Uhr finden wir uns mit einigen anderen
vor der Kirchentür ein, aber niemand kommt, um uns einzulassen. Erst
nach gut 10 Minuten erscheint der Mann mit dem Schlüssel – und einem
Stempel.
Die Kirche San
Martin ist das einzige
Überbleibsel eines einst mächtigen
benediktinischen Klosters. Zwar
fehlt der ihr im Zentrum des kleinen
Ortes der geheimnisvolle Zauber
einer abgelegenen Kapelle wie Eunate,
aber sie gehört zweifellos zum
Schönsten, was die Romanik in Europa
hervorgebracht hat. Der helle,
freundliche Sandsteinbau aus dem 11.
Jahrhundert zeigt eine
außergewöhnliche Harmonie und
Ausgewogenheit: die bedachtsam
gewählten Proportionen, die durch
schlichte Würfelfriese und
ebenmäßige Bögen aufgelockerten
Fassaden, die zwei schlanken, aber
doch gewichtigen Rundtürme sowie die
sparsame und akzentuierte Dekoration
machen aus San Martin ein in sich
geschlossenes Gesamtkunstwerk. Die
315 figürlich gestalteten
Dachkonsolen verraten viel über die
Bilderwelt der Romanik. Auch das
schlichte und lichte Innere wirkt
formvollendet und harmonisch. Fast
schon zu gründlich wurden die
Kapitelle und Bildhauerarbeiten
Ende des vergangenen Jahrhunderts
restauriert und einzelne Skulpturen
ganz ersetzt (ein »R« kennzeichnet
diese Arbeiten).
Hier ist ein
frühromanischer Bau durch kluge
Planung, handwerkliches Können und
königliches Mäzenatentum ‑ Sofia
Mayor, die Frau des navarrischen
Königs Sancho, stiftete 1066 den Bau
‑ zur Perfektion gelangt.
Geöffnet ist San Martin täglich von
10 ‑ 14 und 16.30 ‑ 20 Uhr (1.10. ‑
30.6. Mo und Di geschlossen). Der
Eintritt ist frei.
|
Das lange Warten hat sich gelohnt. San Martin beeindruckt uns
wirklich. Dieser klar gegliederte, schlichte Kirchenraum, der von
Licht durchflutet ist, vermittelt eine völlig andere Botschaft als
die dunkle Kathedrale in Santo Domingo de la Calzada, in der ich
mich gestern wirklich bedrückt fühlte. Sozusagen eine frohe
Botschaft… Es muss schön sein, in dieser Kirche ein Kind zu taufen,
ihm hier das Motto mit auf den Lebensweg zu geben: Der Glaube an ein
göttliches Wesen macht glücklich und frei von Lebensangst.
Sankt Martin und Sankt Jakobus
Es
ist 18 Uhr, als wir in Sahagún ankommen. Der
Campingplatz Pedro Ponze liegt ca. 1 km hinter dem Ortsausgang
und ist ein Abklatsch des gestrigen Platzes – geprägt von
Dauercampern, nur ein wenig kleiner und nicht ganz so komfortabel.
Zwischen Wohnwagen und Vorzelten findet unser Hiram ein Plätzchen
und ist die Sensation des Tages für alle in den Vorzelten
herumsitzenden Mamas, Papas, Omas, Opas und Pänz (mit überwiegend
grimmigen Gesichtern).
Camping Pedro Ponce |
Carretera León 1 |
24320 Sahagun, Spain |
Tel. 987 780 415 |
Einige Meter entfernt liegt das städtische Schwimmbad, zu dem wir
kostenlos Zutritt haben. Klar, dass wir sofort in Richtung Wasser
spurten. Inmitten der blauen Fluten sind wir schon wieder
Hauptgegenstand des Interesses. Bevor ich mich wundern kann über so
viel Aufmerksamkeit, macht Günther mich darauf aufmerksam, dass
außer uns alle Schwimmer Badekappen tragen. Er hat irgendwas von „obligatoro
oder so“ am Eingang gelesen, „und da konnte man auch welche kaufen“.
Egal, wir haben sowieso kein Geld dabei, um eine zu kaufen.
Am
Abend gehe ich früh schlafen, weil meine Augen, die schon seit Tagen
entzündet sind, sehr schmerzen. Günther sitzt noch lange vor dem
Womo, philosophiert, nickt ein and so on…
Sonntag, 15. Juli 2007
Eine Besichtigung von Sahagún
verkneifen wir uns heute Morgen. Es reizt uns nicht sehr, obwohl
hier im 11. Jahrhundert das bedeutendste Clunia-zenserkloster
Spaniens war. Cluniazenser lebten streng nach der alten
Benediktinerregel, d.h. unbedingter Gehorsam gegenüber dem Papst und
dem Abt, was die weltbeherrschende Stellung des Papsttums
vorbereitete. Von diesem Kloster gibt es allerdings so gut wie
nichts mehr zu sehen.
Interessant
soll die Backsteinkirche San Tirso aus dem 12. Jahrhundert
sein (Di – Sa 10.30 – 13.30, 16 – 19 Uhr, So 10 – 13.30 Uhr). Sie
zeigt die Einflüsse der arabischen Architekten, die auch nach der
Rückeroberung der Stadt von den Mauren (9. Jh.) noch lange im
Dienste der Christen auch auf den Kirchenbau Einfluss hatten. Nach
diesen Mudéjaren ist auch der Baustil benannt, der die großen
Kirchen der Stadt bezeichnet. San Tirso ist mit dem viereckigen
Turm, den dreistöckigen Arkaden, den angedeuteten Hufeisenbögen und
der schlichten Ornamentik das besterhaltene Beispiel. Die Kirche
wurde aus Backsteinen erbaut, weil es in der Region keine
Steinbrüche gibt.
Hört sich gut an, aber – wie gesagt – wir
verweigern uns mal einer noch so interessanten Besichtigung, denn
heute erwartet uns noch ein echtes Highlight: die Kathedrale von
Léon.
Route 3: Sahagún bis Sarrià - 184 km
Wir
setzen unsere Fahrt durch die Meseta fort, anfangs entlang des
Pilgerweges, auf dem heute Morgen reger Betrieb herrscht. Es ist
schon erstaunlich, wie viele junge, aber auch ältere Menschen diese
lange Wanderschaft nach Santiago auf sich nehmen. Inzwischen sind
wir in der Landschaft von Léon angelangt.
Die
Stadt León mit ihrer wunderschönen Kathedrale ist
unser erstes Ziel am heutigen Sonntag.
León,
Hauptstadt der Provinz León, am
Zusammenfluss von Bernesga und Torío
gelegen. León ist das Zentrum einer
fruchtbaren, intensiv
landwirtschaftlich genutzten Region,
in der Getreide- und Obstanbau sowie
Viehzucht betrieben werden. Die
Wirtschaft der Stadt konzentriert
sich auf die Nahrungsmittelindustrie
(Molkerei-, Fleisch- und
Getreideprodukte); daneben sind noch
die Metall verarbeitende und die
chemische Industrie von Bedeutung.
-
Sehenswürdigkeiten
-
gotische Kathedrale
Santa María de Regla
(13.-14.
Jahrhundert), eine
der schönsten ganz
Spaniens, mit
spätgotischem
Kreuzgang
-
romanische Kirche
San Isidoro (1149
fertig gestellt) mit
romanischen
Farbglasfenstern,
dem mit romanischen
Fresken
ausgestatteten
Pantéon de los Reyes
und bedeutender
Bibliothek
-
Kloster San Marcos
(1513-1549)
-
Rathaus
-
Palacio de los
Guzmanes aus dem 16.
Jahrhundert
-
Casa de Botines
(1892-1894) des
katalanischen
Architekten Antoni
Gaudí.
|
Wir
finden zum Glück in der Nähe der Kathedrale, unterhalb der alten
Stadtmauer einen großen Parkplatz und sind nach wenigen Metern an
der Kathedrale.
Stadtmauer mit der Kirche San
Isidoro
Kathedrale Santa Maria de Regla
Kreuzgang
Um
12 beginnt die Messe, und da heute Sonntag ist, wollen wir zumindest
den Anfang miterleben. Wir finden das Ganze etwas blutleer – kein
Gesang, der Pastor redet so trocken – lammer jonn (wir gehen
lieber)! Die "frohe Botschaft" unseres Glaubens - hey, ihr seid
erlöst! - könnte wirklich freudiger verkündet werden. Kein Wunder,
dass unsere Kirchen so leer sind!
|
|
Casa de Botines -
von Antono Gaudi erbaut für eine
Leoneser Bank
|
Palacio de los
Guzmanes
|
Nordwestlich der Kathedrale: Die
Königliche Stiftskirche Basilica de San Isidoro
Die Basilica de San Isidoro
ist durch ein 600 m langes Stück Stadtmauer mit der Kathedrale
verbunden. Sie gilt als ein Musterbeispiel spanischer Frühromanik
und birgt die Reliquien des Heiligen Isidro, dem ersten Erzbischof
von Sevilla (seit dem Jahr 600). Hier konnten kranke Pilger an der
Puerta del Perdon schon jetzt und nicht erst im noch weit entfernten
Santiago den Ablass für ihre Sünden bekommen. Man darf gar nicht
darüber nachdenken, wie die Kirche über Jahrhunderte bis in die
heutige Zeit den Menschen Angst vor der Verdammnis machte.
Nach
unserem Rundgang durch Leon finden wir unseren Hiram unangetastet
auf seinem Parkplatz wieder. - Die beiden "Brüche", die wir bisher
erlebt haben, haben ihre Spuren hinterlassen - wir sind immer etwas
nervös, wenn unser Womo irgendwo über eine längere Zeit unbewacht
steht. Die Fahrt geht weiter nach Astorga, der alten
Bischofsstadt am Fuß der Berge von Léon.
Im Mittelalter war
Astorga ein Verkehrsknotenpunkt.
Hier vereinigt sich der von
Südspanien kommende Pilgerweg, die
Via de la Plata (Silberweg)
mit dem Camino Frances. Wie
viele andere Orte am Camino wuchs
die Stadt aufgrund der
herbeiströmenden Pilgerscharen
schnell. Es gab damals 12 Hospize
für die Pilger, in denen diese sich
vor der Bewältigung der nächsten
Etappe, die über einen Pass führt,
ein wenig ausruhen konnten.
Der Ort kam mit der Unterwerfung der keltiberischen Asturer durch die Römer 17 v. Chr. zum Römischen Reich; die Römer nannten den Ort Asturica Augusta und stationierten hier zeitweise eine Legion. Sie machten es zum wichtigsten Verwaltungszentrum in Westspanien und beuteten von hier aus die Goldminen in den Montes de León und im Bierzo aus. Mit den Golderträgen ging auch das römische Astorga nieder. In der Völkerwanderungszeit wurde die Stadt westgotisch, die Bevölkerung trat zum Christentum über. Anfang des 8. Jh.s wurde auch Astorga, wie der Großteil der Iberischen Halbinsel, von den Mauren erobert, doch gelang es bereits Alfons I., dem König von Asturien, die Stadt im Rahmen der Reconquista im Jahr 753 einzunehmen. Um 850 wurde wieder ein Bischofssitz eingerichtet und mit der zunehmenden Popularität der Wallfahrtsstätte Santiago de Compostela profitierte auch Astorga von seiner Lage am Jakobsweg.
Sehenswürdigkeiten
- Kathedrale Santa Maria
- Bischofspalast von Antoni Gaudí in neogotischem Stil gestaltet, in dem sich heute das Museo de los Caminos befindet
- Rathaus, in einem Palast des 17. Jahrhunderts
Die gotische
Kathedrale von Astorga wurde
1471 begonnen, aber erst im 16.
Jahrhundert vollendet. Der
dreischiffige Innenraum mit drei
reich geschmückten Absiden enthält
u. a. einen Hauptaltar von Gaspar
Becerra.
|
Bei
der Einfahrt in den Ort haben wir ein Schild entdeckt, dass eine
Womo-Entsorgungsstation ankündigt. Da wir entsorgen müssen, suchen
wir den Platz auf, der etwas außerhalb am Sportstadion gelegen ist,
bevor wir unsere Fahrt fortsetzen.
Die Kathedrale ist leider von 13
bis 16 Uhr geschlossen, und diesmal wollen wir nicht so lange
warten, bis sie geöffnet wird. Wir schauen uns noch die
mittelalterliche Kirche neben der Kathedrale und den wenige Meter
entfernten Palacio di Gaudi an, der in dem für ihn –
in seiner frühen Schaffensphase – typischen gotischen Stil erbaut
ist.
links: Kathedrale rechts: Palacio
de Gaudi
Rathaus von Astorga, 17. Jh.
Gleich hinter Astorga gelangt man in die Maragateria,
eine raue, aber faszinierende Landschaft. Bei ihren wenigen
Bewohnern haben sich ungewöhnliche Sitten und Gebräuche erhalten.
Man spekuliert, ob sie ein Gemisch aus Mauren und Goten oder
Nachkommen eines versprengten Berberstammes oder eines asturischen
Bergvolkes sind. Nichts Genaues weiß man… Der Jakobsweg führt
jedenfalls mitten durch diese geheimnisvolle Gegend auf den
Rabanal-Pass (1230 m) zu. Kaum haben wir den Pass überquert,
wird es regelrecht dunkel, der Himmel hat sich vollkommen zugezogen,
und es fängt auch wenig später an zu regnen. So liegt die
Berglandschaft leider im Nebel.
Im
strömenden Regen nähern wir uns
Ponferrada, das wir
mit seiner Templerburg aus dem 13. Jahrhundert natürlich nicht
einfach links liegen lassen dürfen. Darüber hinaus gibt es hier noch
eine Basilika aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die mit dem
imposanten Namen Nuestra Seniora de la Encina (Unsere liebe
Frau der Eiche) aufwarten kann. Der Name basiert auf der Geschichte
einer Madonnenerscheinung im Baumstumpf einer Eiche, die sich im 11.
Jahrhundert zugetragen haben soll.
Ponferrada - Um das 11. Jahrhundert veranlasst Osmundo, Bischof von Astorga, den Bau einer Brücke für die Pilger des Jakobswegs. Eine Siedlung entstand an den Ufern des Sil um diese Brücke herum. Zuerst in der Hand der Templer gerät sie nach Auflösung des Ordens, unter anderem in den Besitz der Grafen von Lemos bis sie die Katholischen Könige für sich beanspruchten. Anlass hierfür war ein Streit zwischen dem Grafen von Lemos und seinem Sohn, im 16.Jahrhundert der zu mehreren Kämpfen und Besitzwechseln rund um die Burg führte. Schließlich erklärten die Katholischen Könige Burg und Stadt zu ihrem Besitz und beendeten so die Streitigkeiten.
Sehenswürdigkeiten
- Burg von Ponferrada. Sie reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück und wurde im Laufe der Geschichte oft umgebaut. Ihre äußerste Mauer war früher zugleich die Stadtmauer des mittelalterlichen Ponferradas.
- Die im Renaissance-Stil erbaute Basílica de la Encina (1614).
- Der Torre del reloj (Turm der Uhr), das alte Stadttor.
- Die mozarabische Kirche Santo Tomas de las Ollas, aus dem 10. Jahrhundert.
|
Einen Parkplatz finden wir direkt unterhalb der gewaltigen
Burganlage (mit Tortürmen, Zinnen und einem Burggraben) auf einem
Parkstreifen. Wir holen zum ersten Mal in diesem Urlaub unsere
Schirme heraus und gehen die wenigen Schritte bis zur Burg, deren
Eingang allerdings fest verschlossen ist.
Da
sowieso die Gebäude im Inneren nicht intakt sind, sind wir nicht
enttäuscht und wenden uns der Basílica Nuestra Señora
de la Encina zu, die direkt
hinter der Templerburg liegt. Ihren Namen verdankt die Kirche, die
im 16. Jahrhundert erbaut wurde, einer legendären Marienerscheinung
im Baumstumpf einer Eiche, die sich im 11. Jahrhundert zugetragen
haben soll. In der Kirche ist eine interessante Ausstellung - "Yo
Camino" (ich pilgere) - über den Camino untergebracht, die wir uns
natürlich ansehen. Gegenstände und Kunstwerke rund um den
Pilgerweg (Bilder und Skulpturen) wurden hier in großer Bandbreite
zusammengetragen. Zum Schluss wird man durch einen Gang geleitet,
der alle Stationen des Camino zeigt von St. Jean Pied de Port bis
Santiago de Compostela. Fotografieren ist leider verboten.
Für
diesen Rundgang erhalten wir sogar noch einen Stempel, den einzigen
dieses Tages, denn in Léon gab’s in der Kathedrale keinen,
und in Astorga hat man uns ja leider die Kirchentür erst gar
nicht nicht aufgemacht.
Bis
zum Campingplatz in Villamartin de la Abadia ist es
nun nicht mehr weit. Zum Glück ist es diesmal ein wunderschöner
naturbelassener Platz auf einer Wiese unter hohen Bäumen und an
einem kleinen Fluss, dem Rio Cua. Wir verzichten heute einmal
auf Strom, damit wir direkt am Fluss stehen können, wo kein
Stromanschluss ist. Hoffentlich wird aus dem Flüsschen bei dem
Dauerregen in der Nacht kein reißender Fluss, meint Günther etwas
zweifelnd.
Während ich Günther meine Memoiren des Tages vorlese, hört es zum
Glück auf zu regnen. – O jeh, gerade beginnt es aber wieder leicht
zu nieseln. Hätte ich es doch nicht geschrieben! Zumindest ist der
Himmel wieder heller, und der Regen strömt nicht mehr so heftig. Auf
dem Herd köchelt unser Abendessen (Spaghetti Bolognese) der
Vollendung entgegen; jetzt machen wir’s uns gemütlich!
Montag, 16. Juli 2007
Um
10 lagen wir gestern im Bett und haben geschlafen bis um 9 heute
Morgen. Nicht zu fassen! - würde Moritz sagen.
Heute Morgen lassen wir uns zum letzten Mal richtig Zeit mit dem
Frühstück, denn ab morgen müssen wir uns sputen, um frühzeitig auf
den Camino zu kommen.
Route 4: Von
Villamartin de la Abadia bis Sarrià - 88,5 km
Gegen 11 fahren wir weiter. Erst einmal nach Villafranca del
Bierzo, dem Ort am Pilgerweg, der ebenso wie Astorga für
kranke und schwache Pilger oft der Endpunkt ihrer Wanderung war,
denn auch hier konnte man, wenn man Santiago nicht mehr erreichen
konnte, bereits den Ablass erhalten. Auf einem Hügel über dem Dorf
liegt die kleine romanische Santiago-Kirche und das Tor der
Vergebung – Puerta del Perdón (nur im Heiligen Jahr geöffnet,
d.h. wenn das Jakobs-Namensfest auf einen Sonntag fällt),
Rettungsanker vieler buchstäblich zu Tode erschöpfter Pilger.
Villafranca, das übrigens ein denkmalgeschütztes Dorf mit vielen
malerischen alten Häusern ist, nennt sich deshalb auch „La pequeña
Compostela“ (das kleine Compostela). Es ist der letzte
größere Ort vor Galicien.
Unser Womo stellen wir auf einem Busparkplatz am Ortseingang ab,
denn Autos über 3 Tonnen können und dürfen nicht durch die engen
Sträßchen fahren. Unterhalb der Santiago-Kirche liegt auch das
Castillo de Villafranca, eine in Privatbesitz befindliche
imposante Burg aus dem 16. Jahrhundert.
Castillo de Villafranca
Die
romanische Santiago-Kirche beeindruckt uns in ihrer
Schlichtheit sehr. Es brennen viele (zum ersten Mal echte) Kerzen
und tauchen das Kircheninnere in ein wunderschönes Licht. Rechts
neben einer Seitenkapelle mit einem herrlichen Barockaltar ist die
„Stempelstelle“, besetzt mit einer freundlichen älteren Frau. In
dieser alten Kirche, die schon so viel erlebt hat, fällt es selbst
mir mit meinen vielen Zweifeln nicht schwer zu beten. Ich bete für
unseren Sohn, der morgen Namenstag hat, und für einen guten Ausgang
unserer Pilgerschaft, die morgen beginnen wird. Ob sich meine
Hoffnung erfüllen wird, dass sich mein Glaube, den ich nach
Frederiks Tod fast verloren habe, wieder festigen wird?
|
|
Stempelstelle |
Puerta del Perdón,
12 Jh. |
Die Albergue neben der Kirche ist
urig - aber hier schlafen? Auwei, ich weißet nich.
Unsere Weiterfahrt führt durch eine grüne fruchtbare Berglandschaft
mit viel Laubwald. Das Wetter ist ideal zum Wandern: trocken und
eher kühl, denn der Himmel ist bedeckt. Hoffentlich bleibt es auch
morgen so.
Hinter O Castro verlassen wir Kastilien-Léon
und kommen in die Region Galicien, die Schottland sehr
ähnlich sein soll. Da können wir ja schon mal schnuppern, denn
Schottland ist im nächsten Jahr unser Womo-Reiseziel (falls Günther
nicht wieder aus dem Bett fallen sollte…).
Galicien
umfasst die
Provinzen La Coruña,
Lugo, Orense und
Pontevedra; die
Hauptstadt ist
Santiago de
Compostela. Die
Region ist dank des
maritimen Klimas die
niederschlagsreichste
in ganz Spanien und
aufgrund der üppigen
Vegetation
überwiegend
agrarisch
strukturiert;
daneben sind
Fischerei und
Forstwirtschaft,
aber auch Bergbau,
Eisen-, Stahl- und
chemische Industrie
sowie der Schiffsbau
und die Seehäfen von
wirtschaftlicher
Bedeutung. In
Galicien hat sich
eine eigene Sprache
erhalten, das
Galicische, eine mit
dem Portugiesischen
verwandte Sprache,
die 1975 als
spanische
Regionalsprache
anerkannt wurde.
Galicien war zur
Zeit der römischen
Eroberung unter
Augustus von
keltischen Callaici
bewohnt. Nach der
römischen Eroberung
wurde Galicien unter
dem Namen Gallaecia
oder Callaecia Teil
der Provinz
Hispanica citerior.
411 errichteten die
germanischen Sweben
in Galicien ein
eigenständiges
Königreich; 585
wurde es Teil des
westgotischen
Tolosanischen
Reiches. 711 fiel
die Region wie fast
die gesamte
Iberische Halbinsel
an die muslimischen
Mauren. Im 10. und
11. Jahrhundert war
Galicien erneut
jeweils für kurze
Zeit ein
selbständiges
Königreich, gehörte
ansonsten zumeist
zum Königreich León
und fiel mit diesem
1230 an die
kastilische Krone.
1981 erhielt
Galicien autonomen
Status.
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Von
Villafranca aus haben die Jakobspilger den 1300 m hohen
Cebreiro Pass vor sich - unser Hiram, der Pilger auf 6
Rädern, auch, und er bezwingt den Pass mühelos und ohne außer Puste
zu kommen. Auf der Passhöhe liegt das Dörfchen O Cebreiro
mit 100 Einwohnern und wahrscheinlich einem Pilger pro Einwohner –
so erscheint es uns jedenfalls, als wir dort aussteigen, um uns den
Ort anzuschauen.
Das
Dorf ist nicht nur als ersehntes Ziel der Santiago-Pilger nach einer
schweißtreibenden Etappe auf dem Camino Duro, dem harten Weg,
bekannt, sondern auch wegen der urigen Palloza-Hütten. Diese
Hütten wurden nach keltischem Vorbild als Rundbauten mit einem tief
herunter gezogenen Strohdach gebaut. Mensch und Tier wohnten hier
bis vor wenigen Jahrzehnten noch unter einem Dach, doch der
Pilgertourismus brachte in den letzten Jahren so viel Geld ein, dass
die meisten dieser Hütten, gut restauriert, heute als Herbergen,
Bars und Andenkenläden ihren Besitzern den Lebensunterhalt sichern.
Eine der Pallozas ist als kleines Museum hergerichtet.
Wegen der exponierten Lage am Jakobsweg entstand hier zunächst ein
Kloster mit einem Hospital für die erschöpften Pilger. Heute ist
davon nur noch die frühromanische Kirche Santa Maria la Real
übrig geblieben, in der man einen Hostienteller und einen
Kelch bewundern kann, die im Jahr 1300 an einem Wunder mitgewirkt
haben sollen, als sich bei einer Messe vor den Augen eines armen
Hirten Brot und Wein wirklich in Fleisch und Blut verwandelt haben
sollen.
Das
Wetter hier oben ist recht ungemütlich, und uns tun die vielen –
überwiegend jungen – Pilger Leid, die in diesem Schmuddelwetter den
Pass erklimmen mussten und nun, durchnässt und ausgekühlt, in
vermutlich nicht gerade komfortabler Bleibe nächtigen müssen. Fast
haben wir ein schlechtes Gewissen, als wir in unser gemütlich warmes
Wohnmobil zurückkehren und die windige Passhöhe verlassen. Wir
werden die Compostela ebenso erhalten wie die „echten“ Pilger, die
die gesamte Strecke gewandert sind. Eigentlich ist das ganz schön
ungerecht.
Pilgerdenkmal
Bei
der Weiterfahrt durch das niederschlagsreiche Galicien, das mich
tatsächlich sehr an Schottland erinnert, hoffen wir inständig auf
gutes Wanderwetter… Das Kloster Samos, an dem wir vorüberkommen,
wollen wir uns nicht ansehen, obwohl es sich lohnen würde, denn wir
müssen heute schon unseren
Roller in Portomarin, dem Ziel unserer morgigen Wanderung,
abstellen, damit wir morgen nach der Wanderung von Sarrià nach
Portomarin wieder zurück zu unserem Womo kommen, das in Sarrià, wo
wir übernachten wollen, stehen bleiben soll. Ein bisschen
kompliziert,oder?
Günther hat sich zuhause köstlich amüsiert, dass ich seine Logistik
überhaupt nicht kapieren konnte, darum habe ich mir eine Zeichnung
gemacht. Jetzt habe sogar ich es verstanden.
In
Portomarin stellen wir den Roller an der
Touristeninformation ab und fahren dann zurück nach Sarrià,
wo wir in der Rúa Maior, ganz in der Nähe des
Augustinerklosters La Madalena, das etwas oberhalb des Ortes in
der Oberstadt gelegen ist, auf dem Parkstreifen an der Straße einen
Stellplatz für die Nacht und den morgigen Tag finden.
Sarrià
- An der Stelle des Städtchens
befand sich früher ein Römerlager.
Von der alten Geschichte des Ortes
sieht man heute nichts mehr, die
Stadt hat wenig Atmosphäre.
Malerisch ist jedoch die Oberstadt,
denn dort ist etwas von dem
mittelalterlichen Flair Sarriàs
erhalten geblieben.
Am
Ende der Rúa Maior kann man die
Reste einer Burg aus dem 13.
Jahrhundert sehen – zumindest von
außen. Die Burg befindet sich in
Privatbesitz und kann nicht
besichtigt werden. Ebenfalls in der
Rúa Maior steht die romanische
Kirche San Salvador. Von dort
gelangt man auf einem Weg, der an
der Kirche vorübergeht, zum
Augustinerkloster La Madalena,
in dem sich seit 1200 ein
Pilgerhospiz befindet, das von zwei
italienischen Pilgern gegründet
wurde. Dort finden auch heute noch
Pilger eine Unterkunft für die
Nacht.
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Am
frühen Abend spazieren wir hinunter in den Ort, um noch einmal nach
Wandersocken zu suchen. Hüte (und was für welche!) haben wir bereits
unterwegs gefunden. Gleich der zweite Laden an der Geschäftsstraße,
den wir passieren, ist eine Fundgrube für alle Camino-Pilger. Hier
gibt es vom Blasenpflaster über Literatur, Wanderschuhen und
-klamotten, Camino-Souvenirs, Fotozubehör (Akkus, Speicherkarten
aller Art) bis zu Briefmarken alles, was man auf der Wanderschaft
benötigen könnte. Wir kaufen uns einen weiteren Wanderführer, der
sehr praktische einzelne Etappenkarten enthält nebst einer
Kunststoffhülle zum Umhängen, des weiteren erstehen wir die
ersehnten Wandersocken und schon mal – in weiser Voraussicht, dass
wir sie, wenn wir sie brauchen, nicht finden, eine Menge
Briefmarken. Anschließend kaufen wir in einem blitzsauberen, gut
bestückten Supermarkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite
Mineralwasser, Käse, Brot und eine Flasche Rosé aus der Rioja.
Beglückt über unsere Einkäufe genehmigen wir uns in einer Bar noch
einen Milchkaffee, der hervorragend schmeckt, und machen uns dann
auf den „Heimweg“, der uns durch das alte Viertel der Oberstadt
führt, in dem sehr hübsche malerische Gassen mit urigen Kneipen zu
finden sind. Hier kann man sicher einen geselligen Abschluss eines
Pilgertages erleben.
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links: romantische Oberstadt,
rechts: Burg aus dem 13. Jahrhundert
Nach
dem Abendessen spazieren wir zum Monasterio La Madalena, um
zu schauen, wann die Kirche am Morgen geöffnet wird. Wir wollen doch
so gerne dort unseren ersten erwanderten Camino-Stempel bekommen.
Etwas enttäuscht bringen wir in Erfahrung, dass sie erst um 11
geöffnet wird; das ist uns zu spät. Schade.
Augustinerkloster La Madalena
Vor
dem Kloster, in dem eine Jungenschule untergebracht ist, spielen
einige Burschen Fußball. Der Ball fliegt in meine Richtung, und ich
habe ein Erfolgserlebnis: Schwungvoll schieße ich ihn zurück,
belohnt von lautem Merci beaucoup- und Gracias-Gejohle der Jungen. –
Ich winke cool zurück, kein Problem, Jungens! - Eigentlich treffe
ich Bälle nie…
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Pilgerwanderung von Sarrià bis Santiago de Compostela
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