Geschichte und Kultur

 

 

Im Gebiet des heutigen Griechenland entwickelten sich die ersten europäischen Hochkulturen. Menschliche Siedlungen sind seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. belegt. Bereits in der Jungsteinzeit bestanden zwischen der Griechischen Halbinsel, den Ägäischen Inseln und der Westküste Kleinasiens enge wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen. Die durch das Meer verbundenen Hafenstädte und bewohnten Inseln bildeten einen verkehrsoffenen Raum, der zur Entwicklung und Ausbreitung einer einheitlichen Kultur beitrug. Aber diese mündete nicht automatisch in politische Einheit: Gebirgszüge und tiefe Täler gliederten die Halbinsel in kleine wirtschaftliche und politische Einheiten, die kaum größer als eine Stadt mit dem dazugehörigen Umland waren (Stadtstaaten), wie etwa Athen, Korinth, Sparta und Theben.

1. Die prähistorische Zeit 

Seit Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. wanderten indogermanische Völker in mehreren Wellen aus dem Norden in Griechenland ein (siehe indogermanische Wanderung). Zu ihnen gehörten die um 1900 v. Chr. kriegerisch einfallenden Achaier. Diesen folgten die Ionier und die Äolier (1900-1600 v. Chr.). Diese Stämme bildeten gegenüber der vorgriechischen Bevölkerung häufig nur eine schmale Herrscherschicht. Aus der Verschmelzung der ansässigen Bevölkerung mit den Neuankömmlingen bildete sich die Vorstufe des späteren griechischen Volkes.

Bereits seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. erlebte die ägäische Kultur der Bronzezeit eine große Blüte. Ihre bedeutendsten Ausprägungen stellen die minoische und die mykenische Kultur dar.

1.1 Die minoische Kultur (2600-1200 v. Chr.) 

Palast von Knossos Die riesige Palastanlage von Knossos bedeckte eine Fläche von etwa drei Hektar; der Palast war um einen Innenhof von 28 mal 50 Meter Seitenlänge erbaut, war teilweise mehrere Stockwerke hoch und verfügte über zahlreiche Säle, Empfangs-, Wohn- und Kulträume, Gänge, Hallen, Treppen, Magazine, Werkstätten etc.: Es ist das Labyrinth des Minotauros aus der griechischen Mythologie.Wolfgang Kaehler 

Die minoische Kultur, deren Höhepunkt in die Zeit von 1700 bis 1500 v. Chr. fällt, entwickelte sich auf der Insel Kreta. Auffälliges Merkmal sind unbefestigte Palastbauten, deren bekanntester der Palast von Knossos (das Labyrinth des Minotauros) darstellt. Die Minoer verfügten über zahlreiche Handelsplätze und Häfen, über die sie in Verbindung mit dem Orient standen. Es wird vermutet, dass die minoische Gesellschaft über lange Zeiträume hinweg keine Kriege führte – weder nach außen noch nach innen – und zum Teil matriarchalisch geprägt war. Die Minoer waren keine Griechen; ihren Namen gab ihnen die moderne Wissenschaft nach dem mythischen König Minos. Wie sie sich selbst nannten ist ebenso wie ihre Sprache unbekannt. Die Silbenschrift Linear A, die sie verwendeten, ist bis heute nicht entschlüsselt.

Linear B Diese Tontafel mit Aufzeichnungen in Linear B datiert von etwa 1450 v. Chr., also aus spätminoisch-mykenischer Zeit, und wurde in Agía Triáda, einem minoischen Sommerpalast an der kretischen Südküste, gefunden. Die Inschrift ist wahrscheinlich eine Namensliste.Roger Wood/Corbis 

Die meisten Palastbauten auf Kreta wurden bis 1450 v. Chr. zerstört. Ob der Grund dafür eine Naturkatastrophe oder eine bewaffnete Invasion war, ist unklar. Um diese Zeit fand jedenfalls die Einwanderung indogermanischer Stämme nach Kreta statt. Die Anwesenheit dieser Stämme bezeugen für die Spätzeit Schriftdenkmale in frühgriechischer Sprache, verfasst in der späten Silbenschrift Linear B.

1.2 Die mykenische Kultur (1600-1200 v. Chr.) 

Löwentor in Mykene (Griechenland) Das so genannte Löwentor ist das Haupttor in der äußeren Mauer der Burg von Mykene. Es stammt aus dem frühen 13. Jahrhundert v. Chr. und ist nach dem etwa drei Meter hohen Kalksteinrelief in dem Entlastungsdreieck über dem Torsturz benannt. Das Relief zeigt zwei Löwen, die sich, mit den Vorderpfoten auf der Basis einer kretischen Säule stehend, entlang der Säule aufrichten. Die Köpfe der Löwen waren wohl aus einem anderen Material gefertigt und angesetzt; sie sind verloren.Bridgeman Art Library, London/New York 

Die mykenische Kultur hatte ihre Zentren in Mykene, Pylos, Tiryns, Athen und Theben. Die Städte wurden, anders als auf Kreta, durch Mauern geschützt. Seit etwa 1500 v. Chr. nahm die mykenische Kultur zahlreiche minoische Einflüsse auf, u. a. die Schrift (Linear B). Seit 1400 v. Chr. erfolgte die Expansion der mykenischen Kultur in die Ägäis sowie nach Kreta und Zypern. Die Vermutung einer Vorherrschaft des Königs von Mykene über die anderen Städte entspringt der Darstellung Homers in den Epen Ilias und Odyssee über den Trojanischen Krieg (um 1200 v. Chr.), dürfte aber der historischen Realität nicht entsprechen.

1.3 Das „dunkle Zeitalter” (1200-800 v. Chr.) 



Griechenland im Altertum Die Illyrer drängten bei ihrem Vorstoß an das Mittelmeer die griechischen Stämme in neue Siedlungsgebiete. Die Dorer z. B. erreichten den Peloponnes, Kreta und die Küste im Südwesten Kleinasiens.© Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten. 

Für die nachfolgende Epoche ist in der Wissenschaft die Bezeichnung „dunkles Zeitalter” üblich, weil über diesen geschichtlichen Abschnitt wenig bekannt ist. Die Zentren der minoischen und mykenischen Kultur wurden zerstört. Die Schriftlichkeit ging verloren. Belegt sind große Bevölkerungsverschiebungen, deren bedeutendste die dorische Wanderung darstellt. Die Dorer, ein indogermanischer Stamm, wanderten von Norden her ein und nahmen Teile der Peloponnes, Kreta sowie die südlichen Ägäis-Inseln in Besitz. Die Vorbevölkerung wurde vernichtet oder unterworfen. Sparta und Korinth entwickelten sich zu bedeutenden dorischen Zentren.

Die dorischen Eroberungen lösten Fluchtbewegungen anderer griechischer Stämme aus. So eroberten die Achaier den nördlichen Teil der Peloponnes. Vom 11. bis zum 9. Jahrhundert v. Chr. breiteten sich die griechischen Stämme auch an der Küste Kleinasiens aus, das Bestandteil des griechischen Siedlungsgebiets wurde (ionische Wanderung). Im Zuge dieser Bevölkerungsverschiebungen nahmen nun die griechischen Stämme ihre Sitze ein. Ebenso bildeten sich die Hauptgruppen der Dialekte des Griechischen heraus, das Äolische, das Arkadisch-Kyprische, das Dorisch-Nordwestgriechische und das Ionisch-Attische. Auf Staat und Gesellschaft während des dunklen Zeitalters lassen die erst im 8. Jahrhundert v. Chr. entstandenen Homerischen Epen nur vorsichtige Rückschlüsse zu.

2. Die Antike 

Nach dem Ende der großen Wanderbewegungen begann sich ein gesamtgriechisches Bewusstsein zu entwickeln. Die Griechen bezeichneten sich selbst als Hellenen. Dieser Name geht nach Homer auf einen im Süden Thessaliens lebenden Stamm zurück. Die Bezeichnung Griechen, die später von anderen Völkern benutzt wurde, ist von Graecia, dem lateinischen Namen eines hellenischen Stammes aus dem Gebiet des Epirus, abgeleitet. Vermutlich handelte es sich um jenen griechischen Stamm, mit dem die Römer als erstem in Kontakt standen.

Das Gemeinschaftsbewusstsein der Hellenen kam u. a. in ihrer Abrenzung gegenüber den nicht griechischsprachigen Völkern, den so genannten Barbaren, zum Ausdruck, vor allem aber auch in der gemeinsamen griechischen Religion (siehe griechische Mythologie). Wichtigstes gesamtgriechisches Heiligtum war das Orakel von Delphi („der Nabel der Welt”). In Verbindung mit religiösen Kultfeiern bildeten sich verschiedene panhellenische Feste heraus, wie die Isthmischen, die Pythischen, die Nemeischen und die Olympischen Spiele. Die bedeutendsten waren die Olympischen Spiele, deren Siegerlisten seit dem Jahr 776 v. Chr. überliefert sind. Ob in diesem Jahr auch die ersten Spiele stattfanden oder ob die Spiele noch weiter zurück datieren, ist allerdings ungewiss.

2.1 Das archaische Zeitalter (800-500 v. Chr.) 



Großgriechenland Bewohner Griechenlands verließen in mehreren Wellen ihre Heimat und gründeten im ganzen Mittelmeerraum Niederlassungen. Bevorzugte Kolonisationsgebiete waren Süditalien und Sizilien: Diese Region wurde als Magna Graecia (Großgriechenland) bezeichnet.



Mit dem archaischen Zeitalter, das nach der ersten griechischen Kunstepoche datiert wird, bildet sich die entscheidende gesellschaftliche Organisationsform der griechischen Kultur der Antike heraus, die Polis (Stadtstaat). Die Bedeutung des Wortes Polis ist vielfältig: geschlossene Siedlung, Stadt oder Burg. Von ihrem Ursprung her war die Polis wahrscheinlich eine bäuerliche Siedlungsgemeinschaft. Später führte die Entwicklung von Handel und Handwerk zu verschiedenen Polis-Typen. Als politische Gemeinschaft bildeten Mitglieder der Polis einen rechtlichen Personenverband, der seine inneren Angelegenheiten nach eigenen Gesetzen regelte. Ihre Grundlage war das Privateigentum der Mitglieder an Grund und Boden. Zugleich waren die Mitglieder der Polis eine Abstammungsgemeinschaft, die sich von niedergelassenen Fremden (Metöken) und Sklaven abgrenzte. Die Polis umfasste nicht allein das städtische Zentrum, sondern gleichberechtigt auch das Umland und seine Bewohner. An der Spitze der Polis stand ursprünglich ein König. Diese frühen Polis-Könige sind die Helden der Epen Homers. Ihre Macht innerhalb der Polis beruhte wahrscheinlich weniger auf einem adligen Standesprivileg als auf wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlicher Autorität. Die entwickelte Polis zeichnete sich durch eine starke soziale Differenzierung in Grundbesitzer, Bauern, Handwerker, Kaufleute und Tagelöhner aus.

Übervölkerung und die resultierende Nahrungsmittelknappheit sowie der sich entwickelnde Fernhandel lieferten die Motive für den griechischen Kolonisationsdrang im 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. Die Siedlungsexpansion dieser Ära, auch als Große Kolonisation bezeichnet, führte zur Verbreitung der Polis im Mittelmeer sowie im Schwarzen Meer. Zahlreiche Kolonien entstanden in Sizilien und im Süden der italienischen Halbinsel (u. a. Neapel). Hier wurden so viele griechische „Pflanzstädte” gegründet, dass das Gebiet den Namen Magna Graecia (Großgriechenland) erhielt. Auch Marseille und Byzanz verdanken ihre Gründung der Großen Kolonisation. Eine neu gegründete Polis bildete keine Erweiterung des Machtbereichs der Mutterstadt, sondern eine neue selbständige Gemeinschaft. Sie war der Mutterstadt einzig in Kult und Verfassung verpflichtet.

Das Königtum wurde zwischen 800 und 650 v. Chr. fast überall durch Oligarchien (griechisch: die Herrschaft weniger) ersetzt, in denen die Macht in Händen einer kleinen Gruppe von Adligen lag. Um 650 v. Chr. wurden die Oligarchien ihrerseits von Tyrannen abgelöst. Die Bezeichnung Tyrann verweist ausschließlich darauf, dass der Herrscher die Macht unrechtmäßig erlangt hatte; die Regierung war nicht grundsätzlich diktatorisch. Viele Tyrannen, die sich (zunächst) auf die unterprivilegierten Schichten stützten und die Vorherrschaft des Adels brachen, waren herausragende Führungspersonen, z. B. Periander von Korinth oder Gelon von Syrakus.

Die Schrift hatten die Griechen bereits im 11. Jahrhundert v. Chr.von den Phöniziern übernommen und den Erfordernissen der griechischen Sprache angepasst. Die älteste überlieferte griechische Inschrift stammt von circa 750 v. Chr. Infolge der aufstrebenden politischen und wirtschaftlichen Entwicklung erlebte die hellenische Kultur während der archaischen Epoche eine erste Blütezeit. In den Wissenschaften erweiterten der Philosoph Anaximander, der Mathematiker Pythagoras und der Astronom Thales die Erkenntnisse.

2.2 Zentren des Griechentums: Sparta und Athen 

Sparta war ein aristokratischer Staat im Süden der Halbinsel Peloponnes mit einem Doppelkönig an der Spitze. Es gründete seine Vormachtstellung auf der Peloponnes und in Festland-Griechenland vorwiegend auf Eroberungen und übte eine strenge Kontrolle über die abhängigen Staaten aus. Dies geschah auf der Basis einer straffen militärischen staatlichen Organisation. Die Spartiaten (Mitglieder der Kriegerkaste) herrschten über die Heloten (wörtlich: Gefangene). Die Heloten waren die Nachfahren der unterworfenen Vorbevölkerung, hatten als Staatssklaven einen rechtlosen Status und stellten die unterste Klasse im spartanischen Vierklassensystem. Im Krieg mussten die Heloten Militärdienst leisten. Eine dritte Kaste bildeten die Periöken (wörtlich: Umwohner). In den Händen dieser Freien ohne Bürgerrechte lagen Handel und Gewerbe. Sie lebten häufig in eigenen Siedlungen.

In Athen (Stadt der Göttin Athene) hingegen erhielten die adligen Bewohner der benachbarten attischen Städte die vollen Bürgerrechte. Das vererbbare Königtum wurde 683 v. Chr. vom Adel (Eupatriden), der bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. regierte, abgeschafft. Die Eupatriden errichteten eine oligarchische Herrschaft und stellten den Archon, d. h. den jährlich wechselnden höchsten Beamten. Mit der Gesetzgebung Drakons wurden 621 v. Chr. die geltenden Rechte erstmals aufgezeichnet, wodurch die willkürliche Rechtsprechung und die Vollmachten der Adligen eingeschränkt wurden. Eine Generation später unternahm Solon 594 v. Chr. eine umfangreiche Reform der politischen Verfassung Athens. Er beseitigte die adligen Privilegien und band die grundbesitzlosen Schichten in die Herrschaft ein. Ausschlaggebend für die politische Teilhabe wurde nun anstelle der Geburt das Vermögen (Timokratie). Die Bürger waren nach Einkommensgruppen in vier Klassen (Pentakosiomedimnen, Ritter, Zeugiten und Theten) eingeteilt, wobei die Pentakosiomedimnen als reichste Klasse größere Rechte, aber auch mehr Pflichten besaßen. Nur sie konnten die Archonten stellen; gleichzeitig kamen sie für die kostspieligen Kultfeiern auf.

Sklaven waren in der Athener Gesellschaft als Haus- und Arbeitskräfte allgegenwärtig, sie stellten schätzungsweise ein Drittel der Bevölkerung. Ihr Lebensstandard war nicht zwangsläufig schlecht, ihnen wurde sogar im Auftrag des Herren Geschäftsfähigkeit zugebilligt. Allerdings waren die Sklaven unmündig. Im Falle ihrer Freilassung erhielten sie den Status von niedergelassenen Fremden (Metöken), die nicht das Bürgerrecht besaßen.

Die Tyrannis als Herrschaftsform setzte sich in Athen mit der Machtergreifung des Peisistratos Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. durch. Formal beließ Peisistratos die Verfassung Solons in Kraft, die Ämter wurden aber an Familienangehörige und Vertraute vergeben. Unter seiner mehr als zwanzigjährigen Regierung erlebte Athen einen großen wirtschaftlichen, kulturellen und außenpolitischen Machtzuwachs.

Der Tyrann Hippias, der Sohn des Peisistratos, wurde 510 v. Chr. durch einen Volksaufstand gestürzt, der den Adligen Kleisthenes an die Macht brachte. Die Kleisthenischen Reformen der Jahre 509 bis 507 v. Chr. bedeuteten den Durchbruch der antiken Demokratie. Alle Vollbürger über 30 Jahre erhielten unabhängig von Besitz und Stand die gleichen Rechte. Frauen, Sklaven und niedergelassene Fremde blieben davon allerdings ausgeschlossen. Die Volksversammlung (Ekklesia), auf der sich jeder Bürger frei äußern konnte, erließ Gesetze und lenkte die Staatsangelegenheiten per Mehrheitsbeschluss. Ihr repräsentatives und geschäftsführendes Organ war der Rat der Fünfhundert (Boule), der sich aus je 50 Mitgliedern der zehn von Kleisthenes neu geschaffenen Phylen (Militär- und Verwaltungseinheiten) Athens zusammensetzte. Jede Phyle wählte zudem für ihr Militäraufgebot einen Strategen (Feldherren) und einen Schatzmeister. Weitere Beamte und Richter wurden per Los bestimmt. Die Einführung des Ostrakismos (Scherbengerichts) sollte die Wiederkehr der Tyrannis verhindern.

2.3 Die Perserkriege (500-479 v. Chr.) 



Perserkriege Zwischen 490 und 478 v. Chr. standen sich Griechen und Perser in zwei großen Kriegen einander gegenüber. Auslöser des ersten Krieges war der Ionische Aufstand, der Aufstand der kleinasiatischen Griechenstädte gegen die Herrschaft der Perser unter König Dareios I., in den Griechenland zugunsten der Griechenstädte eingegriffen hatte. Der erste Krieg endete 490 v. Chr. mit dem Sieg der Athener in der Schlacht bei Marathon. Eine weitere berühmte Schlacht fand zehn Jahre später während des zweiten Krieges bei den Thermopylen statt. Diesmal siegten die Perser unter König Xerxes I., rückten weiter nach Süden vor und nahmen schließlich Athen. In den folgenden Schlachten 480/479 v. Chr. – zur See bei Salamis und Mykale, zu Lande bei Platää – triumphierten jedoch wieder die Griechen. Der persisch-griechische Konflikt zog sich noch bis 449 v. Chr. hin, bis zum Kalliasfrieden, durch den sich Athen zur Vormacht in der Ägäis aufschwang.


500 v. Chr. erhoben sich die griechischen Städte in Ionien (Kleinasien) gegen die persische Herrschaft, der sie seit 546 v. Chr. unterworfen waren, und wurden dabei seitens des griechischen Mutterlandes von Athen und Eretria, einer Stadt auf der Insel Euböa, unterstützt. Dieser Ionische Aufstand führte zu langjährigen Auseinandersetzungen mit dem Persischen Reich, den Perserkriegen. Der persische Großkönig Dareios I. schlug den Aufstand 494 v. Chr. nieder, errichtete erneut seine Herrschaft über Ionien und erzwang von den meisten griechischen Stadtstaaten Unterwerfungserklärungen. Die Weigerung von Sparta und Athen beantwortete er 490 v. Chr. mit der Zerstörung Eretrias durch seine Flotte und einem Feldzug des persischen Heeres gegen Athen. In der Ebene von Marathon scheiterte er mit seiner dreimal stärkeren Streitkraft gegen die Armee Athens unter Führung von Miltiades.

Xerxes I., der seinem Vater Dareios 486 v. Chr. auf dem Thron folgte, stellte daraufhin eine der größten Armeen der Antike auf. 481 v. Chr. setzten die Perser auf einer Schiffsbrücke über den Hellespont (Dardanellen). Bei den Thermopylen, einem engen Pass, der Thessalien mit Mittelgriechenland verband, stellte sich 480 v. Chr. der spartanische König Leonidas I. den weit überlegenen Persern entgegen und wurde erst durch Verrat bezwungen. Anschließend nahmen die Perser Athen ein und brannten die von ihren Bewohnern verlassene Stadt nieder. In der Seeschlacht von Salamis 480 v. Chr. erzwang die Athener Flotte, die aus kleinen wendigen Trieren bestand und von Themistokles geführt wurde, mit ihrem Sieg über die zahlenmäßig überlegene, aber schwerfällige persische Flotte die Wende. 479 v. Chr. wurde der restliche Teil der persischen Streitmacht bei Platää geschlagen. Die Perser gaben daraufhin ihre Eroberungspläne für Griechenland auf. Mit dem Sieg über die Perser stieg Athen zur dominierenden Seemacht auf.

2.4 Die Vorherrschaft Athens (479-404 v. Chr.) 

Die folgenden Jahrzehnte sahen Athen auf dem Höhepunkt seiner politischen und kulturellen Entwicklung. Aufgrund seiner führenden Rolle in den Perserkriegen und der Überlegenheit seiner Flotte überflügelte es den Rivalen Sparta, der bis dahin mit seiner Landarmee die größte Militärmacht in Griechenland darstellte. 477 v. Chr. schlossen sich 200 griechische Städte unter der Führung Athens zum Attischen Seebund zusammen, dem Sparta jedoch fernblieb. Unmittelbares Ziel des Attischen Bundes war die Vertreibung der Perser aus Ionien, was unter dem Athener Heerführer Kimon bis 465 v. Chr. auch gelang.

Schon bald waren die Mitglieder des Attischen Bundes nicht mehr Verbündete Athens, sondern abhängige Staaten; Athen forderte von ihnen regelmäßigen Tribut. Als sich Naxos 469 v. Chr. aus dem Bund lösen wollte, wurde es militärisch niedergeworfen. Auch in der Folgezeit wurden Abtrünnige mit Gewalt am Verlassen des Bundes gehindert.

Griechische Kunst und Kultur Durch griechische Philosophen, Naturwissenschaftler und Dichter wurde die abendländische Kultur nachhaltig beeinflusst.© Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten. 

462 v. Chr. leitete Ephialtes weit reichende Reformen der Athener Verfassung ein, indem er die Befugnisse des Areopag, des obersten Gerichts, bedeutend einschränkte und sie dem Rat der 500 und der Volksversammlung übertrug. Im selben Jahr wies Sparta die Athener Unterstützung zur Niederschlagung des Helotenaufstandes brüsk zurück, da es die Ausbreitung demokratischer Grundsätze in seinem Herrschaftsgebiet befürchtete. Dies führte zu einem offenen Konflikt zwischen den beiden Städten.

Nach der Ermordung von Ephialtes übernahm 461 v. Chr. Perikles die Führung Athens. In der Folge häufig in das Amt des Strategen (443 bis 429 v. Chr. durchgehend) gewählt, trieb er die demokratischen Reformen weiter voran. Bereits 461 v. Chr. setzte er die Besoldung öffentlicher Ämter durch, um auch den Unvermögenden den Zugang zu Regierung, Verwaltung und Justiz zu ermöglichen. 458 v. Chr. gewährte er der dritten Klasse, den Zeugiten, Zugang zur höchsten Machtinstitution, dem Archontat. 451 v. Chr. erließ er ein Bürgergesetz, nach dem nur Vollbürger sein konnte, wer zu beiden Elternteilen Athener Abstammung war. Während seiner Regierungszeit erfolgte der Bau des Parthenons, der Propyläen und anderer Bauwerke auf der Akropolis. Das griechische Theater erreichte mit den Tragödiendichtern Aischylos, Sophokles und Euripides seine Blütezeit. Herodot und Thukydides verfassten die ersten historiographischen Werke. In das Zeitalter des Perikles fällt auch das Wirken der Philosophen Anaxagoras, der Perikles’ Lehrer war, und Sokrates.

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Die Bündnisse während des Peloponnesischen Krieges
Im Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.) um die Vorherrschaft in Griechenland standen sich zwei Bündnissysteme gegenüber: Der Peloponnesische Bund, der im Wesentlichen die Stadtstaaten der Peloponnes sowie als Bundesgenossen Makedonien umfasste, und der von Athen geführte Attische Seebund, dem die griechischen Städte an der ägäischen Küste und die Ägäischen Inseln angehörten sowie Thessalien als bedeutendster Verbündeter.



Die Bündnisse während des Peloponnesischen Krieges Im Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.) um die Vorherrschaft in Griechenland standen sich zwei Bündnissysteme gegenüber: Der Peloponnesische Bund, der im Wesentlichen die Stadtstaaten der Peloponnes sowie als Bundesgenossen Makedonien umfasste, und der von Athen geführte Attische Seebund, dem die griechischen Städte an der ägäischen Küste und die Ägäischen Inseln angehörten sowie Thessalien als bedeutendster Verbündeter.© Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten. 

Perikles setzte den Krieg gegen die Perser fort. Allerdings endete das Unternehmen zur Unterstützung des Abfalls Ägyptens (damals eine persische Satrapie) vom Perserreich in den Jahren 460 bis 454 v. Chr. mit einer Niederlage. Die Athener Flotte konnte die Perser erst 450 v. Chr. bei Salamis auf Zypern entscheidend schlagen. Der Athener Unterhändler Kallias vermittelte 449 v. Chr. einen Friedensvertrag mit dem Persischen Reich, den so genannten Kalliasfrieden, in dem sich die Perser verpflichteten, keine Kriegsschiffe mehr in die Ägäis zu entsenden und den ionischen Stadtstaaten an der kleinasiatischen Küste die Autonomie zu belassen. Den Konflikt mit Sparta konnte Perikles 446 durch den Abschluss eines auf 30 Jahre angelegten Friedensvertrages vorübergehend beilegen. Athen räumte Sparta die vollständige Hegemonie über die Peloponnes ein. Athen selbst konzentrierte sich auf den Ausbau seines Einflusses in Sizilien, Thrakien und Makedonien.

Der Friedensschluss von 446 v. Chr. hatte den beiden Rivalen Athen und Sparta nur eine Atempause verschafft. Der Peloponnesische Krieg (431 bis 404 v. Chr.), in dem sich der Attische Seebund unter Führung Athens und der Peloponnesische Bund unter Sparta als Machtblöcke gegenüberstanden, entwickelte sich zu einer langwierigen innergriechischen Auseinandersetzung, in die sich die ganze griechische Staatenwelt verwickelte. Sparta unter Lysander eroberte 405 v. Chr. durch eine List die Athener Flotte und belagerte anschließend Athen, das 404 v. Chr. kapitulierte. Die Friedensbedingungen brachten das Ende der Vorherrschaft Athens: Es durfte keine große Kriegsflotte mehr unterhalten und musste Sparta Heerfolge leisten. Zur Regierung Athens setzte Sparta die Oligarchie der Dreißig Tyrannen ein. Der Attische Seebund wurde aufgelöst und die zuvor von Athen abhängigen Staaten Sparta untertänig.

2.5 Der Niedergang der griechischen Staatenwelt (404-355 v. Chr.) 

Bereits 403 v. Chr. vertrieben die Athener die Dreißig Tyrannen und stellten die Demokratie wieder her. Allerdings blieb die außenpolitische Abhängigkeit von Sparta zunächst bestehen. Gegen die spartanische Hegemonie setzte sich Athen gemeinsam mit Theben, Argos und Korinth im Korinthischen Krieg (395 bis 386 v. Chr.) zu Wehr, konnte sie jedoch nicht brechen. Der durch Persien, das sich erneut der ionischen Küste bemächtigte, vermittelte Antalkidas- bzw. Königsfrieden bestätigte 386 v. Chr. Spartas Vorherrschaft über die griechischen Stadtstaaten.

379 v. Chr. lehnten sich die Thebaner erneut gegen Sparta auf und vertrieben die spartanischen Besatzer aus der Stadt. Und diesmal gelang es Sparta nicht, den Aufstand niederzuringen. 377 v. Chr. restituierte Athen erfolgreich den Attischen Seebund, dem auch Theben beitrat. 371 v. Chr. konnten die Thebaner unter Epameinondas die Spartaner bei Leuktra schlagen. 369 v. Chr. erhoben sich mit thebanischer Hilfe die messinaischen Heloten gegen Sparta und gründeten einen eigenen Staat. Damit war Sparta ein wichtiger Teil seiner wirtschaftlichen Grundlage entzogen, und seine Großmachtstellung ging verloren. An Spartas Stelle trat nun Theben, das seine Stellung aber nur kurz, bis 362 v. Chr., behaupten konnte. Athen versuchte seine Herrschaft erneut über den Attischen Seebund auszubauen, doch die Verbündeten fielen von ihm ab. Der Bundesgenossenkrieg (357-355 v. Chr.) endete mit einer herben Niederlage Athens.

2.6 Unter makedonischer Vorherrschaft: Philipp II. und Alexander der Große (356-323 v. Chr.) 

Alexander der Große Im Zuge seiner Eroberungsfeldzüge dehnte Alexander der Große den griechischen Machtbereich bis nach Indien aus, ehe er 323 v. Chr. im Alter von 33 Jahren starb. Die Büste Alexanders stammt aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. und befindet sich heute in der Akropolis von Athen.Agenzia LUISA RICCIARINI—MILANO 

Diese innergriechischen Machtkämpfe nutzte Makedonien, der nördliche Nachbar Thessaliens, zum Aufstieg. Die Makedonier galten ursprünglich nicht als Griechen. Erst im 6. Jahrhundert v. Chr. wurden sie als solche anerkannt und zu den Olympischen Spielen zugelassen. Sie standen jedoch weiterhin abseits der politischen und kulturellen Entwicklung in Griechenland.

Philipp II., seit 359 v. Chr. König von Makedonien, leitete gegenüber Griechenland eine Hegemoniepolitik ein, nachdem er mit seinen Heeresreformen die makedonische Armee zur schlagkräftigsten der Region gemacht hatte. Seit 356 v. Chr. nahm er aktiv an den innergriechischen Auseinandersetzungen teil, indem er in den Krieg um die Kontrolle der Amphiktyonie, des Schutzbündnisses für die Kultstätte von Delphi, eingriff. Athen setzte sich an die Spitze des antimakedonischen Widerstandes; als Wortführer der Gegner Philipps tat sich insbesondere der Redner Demosthenes hervor. 346 v. Chr. beendete Philipp den Krieg gegen die Amphiktyonie siegreich und wurde in das Gremium der Amphiktyonie aufgenommen. Als Philipp 343 v. Chr. ganz Thrakien eroberte und seinem Reich einverleibte, sah Athen seine Getreideversorgung über das Schwarze Meer gefährdet, scheiterte mit seiner Gegenwehr jedoch in der Schlacht von Chaironeia (338 v. Chr.). Philipp gewährte Athen milde Friedensbedingungen und verwirklichte 337 v. Chr. mit der Gründung des Korinthischen Bundes, dem nur Sparta fernblieb, die Einigung aller Griechen unter makedonischer Führung. Das Bündnis beließ den Stadtstaaten ihre Unabhängigkeit und war auf einen Krieg der Griechen gegen den traditionellen Feind Persien ausgerichtet. Der Tod Philipps 336 v. Chr. machte die Kriegspläne gegen Persien jedoch vorerst zunichte.



Reich Alexanders des Großen 

Im Jahr 323 v. Chr. erstreckte sich das Reich Alexanders des Großen von der Balkanhalbinsel bis nach Indien. Im gleichen Jahr starb Alexander in Babylon.

Philipps Sohn und Nachfolger Alexander der Große behauptete die makedonische Hegemonie über Griechenland. 334 v. Chr. eröffnete er den von seinem Vater geplanten Persienfeldzug – formal ein Krieg aller Griechen des Korinthischen Bundes, doch waren die Makedonier innerhalb des Heeres am stärksten vertreten und hatten die Führung inne. In einem dreieinhalbjährigen Siegeszug, den er mit dem Triumph über Dareios III. in der Schlacht von Gaugamela abschloss (331 v. Chr.), beseitigte er die persische Großmachtstellung. Damit war die persische Gefahr gebannt und das vorgebliche Kriegsziel des Korinthischen Bundes erreicht. 330 v. Chr. entließ Alexander die griechischen Truppen nach Hause.

Seit Beginn seines Feldzugs nach Indien, zum „Rand der Welt” (327 v. Chr.), plante Alexander vermutlich, die ganze den Griechen bekannte Welt zu unterwerfen. Nach seiner Rückkehr vom Indischen Ozean erlag er in Babylon, der neuen Hauptstadt seines Weltreiches, 323 v. Chr. einem Fieber. Durch seine Eroberungen und Städtegründungen verbreiteten sich die griechische Sprache und Kultur im ganzen Herrschaftsgebiet.

2.7 Die hellenistische Staatenwelt (323-215 v. Chr.) 


Da Alexander keinen regierungsfähigen Erben hinterlassen hatte, teilten nach seinem Tod seine Feldherren das Erbe unter sich auf. Aus den Diadochenkämpfen (321-281 v. Chr.) gingen drei große Reiche hervor, die Diadochenreiche: In Vorderasien entstand das Seleukidenreich, während die Dynastie der Ptolemäer Ägypten beherrschte. Makedonien stand seit 276 v. Chr. unter der Herrschaft der Antigoniden und dominierte weiterhin Griechenland. In den neuen Reichen wurden zahlreiche griechische Städte gegründet, die die Organisationsform der Polis weit über Griechenland hinaus verbreiteten. Athen und Sparta versuchten noch einmal, unterstützt vom Ptolemäerreich, Makedoniens Einfluss in Griechenland zu brechen, scheiterten jedoch im Chremoneidischen Krieg (267-261 v. Chr.).

In den hellenistischen Staaten gelangten griechische Kunst, Philosophie und Literatur zu einer erneuten Blüte (Zeitalter des Hellenismus). Das Seleukidenreich und das Ptolemäerreich verbreiteten durch ihre Oberschicht die griechische Kultur und Lebensweise in weiten Teilen der Alten Welt. Zum Zentrum des Griechentums noch vor Athen entwickelte sich Alexandria, die Hauptstadt der Ptolemäer, die die größte Bibliothek der Antike beherbergte. An der kleinasiatischen Küste stieg die ionische Stadt Pergamon zu einem Mittelpunkt hellenistischer Kultur auf. Diese Epoche brachte so hervorragende Geister wie die Mathematiker Euklid und Archimedes, die Philosophen Epikur und Zenon sowie die Dichter Apollonios von Rhodos und Theokrit hervor.

In Griechenland verlor die Polis mehr und mehr ihre Funktion. An ihre Stelle traten Bundesstaaten, die über ein gemeinsames Bürgerrecht, staatliche Organe und eine gemeinsame militärische Organisation verfügten. Einer dieser Bundesstaaten war der 290 v. Chr. von den Stadtstaaten Mittelgriechenlands gegründete Ätolische Bund. Eine zweite, ähnliche Organisation, der Achaiische Bund, fasste ab 280 v. Chr. die Städte der nördlichen Peloponnes zusammen. Der Achaiische Bund war, ebenso wie der Ätolische, ursprünglich gegen die makedonische Hegemonie gerichtet, versuchte aber zugleich, die Herrschaft über ganz Griechenland zu erringen. Er wandte sich zunächst gegen Sparta, das keinem Bund angehörte, wurde aber geschlagen. 225 v. Chr. ersuchte der Bund ganz gegen seine anfangs formulierten Ziele um makedonische Militärhilfe, die ihm auch gewährt wurde, aber Sparta unter makedonische Herrschaft brachte. In der Folgezeit gingen die makedonischen Könige wechselnde Koalitionen mit dem Achaiischen und dem Ätolischen Bund ein, da sie nicht mehr in der Lage waren, diese Bündnisse zu zerschlagen.

2.8 Das Eingreifen Roms (215-146 v. Chr.) 

Mit ihren Kriegen gegen die Illyrer (229 und 219 v. Chr.) fassten die Römer auf der Balkanhalbinsel Fuß und nahmen seitdem Einfluss auf die griechischen Geschehnisse. In wechselnden Bündnissen bekämpfte Rom zunächst die Großmacht Makedonien. Philipp V. von Makedonien verbündete sich mit dem karthagischen Kriegsherren Hannibal gegen Rom, das jedoch das makedonische Heer mit Unterstützung des Ätolischen Bundes schlagen konnte (1. Makedonischer Krieg, 215-205 v. Chr.). Im 2. Makedonischen Krieg (200-197 v. Chr.) besiegte Rom Philipp V. ein weiteres Mal, diesmal mit Unterstützung des Ätolischen und des Achaiischen Bundes. Im Friedensschluss nach diesem zweiten Krieg musste Makedonien die Unabhängigkeit der griechischen Staaten anerkennen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Rom noch kaum Interesse an territorialen Gewinnen oder einer Herrschaft über Griechenland. Philipps Sohn Perseus nahm den Kampf um die verlorene Machtposition wieder auf, musste aber im 3. Makedonischen Krieg (171-168 v. Chr.) eine vernichtende Niederlage hinnehmen. Der Achaiische Bund stellte sich der römischen Übermacht schließlich allein entgegen. Der Krieg endete 146 v. Chr. mit der Zerstörung Korinths, der bedeutendsten Stadt des Bundes. Griechenland kam vollständig unter die Herrschaft Roms, das Makedonien und Griechenland als Provinz Macedonia seinem Reich einverleibte.

2.9 Unter römischer Herrschaft (146 v. Chr. bis 395 n. Chr.) 

Venus von Milo (um 130/120 v. Chr.), Louvre, Paris Ein bekanntes Beispiel für die Skulptur des Hellenismus ist die so genannte Venus von Milo oder Aphrodite von Melos, die Anfang des 19. Jahrhunderts auf der griechischen Kykladeninsel Melos gefunden wurde.Bridgeman Art Library, London/New York 

Einige Poleis behielten unter römischer Herrschaft zunächst den Status freier Städte, z. B. Athen und Sparta. Mithridates VI. Eupator, König von Pontus, begann 88 v. Chr. einen Feldzug zur Rückeroberung römisch besetzter Gebiete. Zahlreiche griechische Städte schlossen sich ihm an, und innerhalb kurzer Zeit hatte er fast ganz Griechenland in Besitz genommen. Aber schon 86 v. Chr. schlug der römische Feldherr Lucius Cornelius Sulla Mithridates, vertrieb ihn aus Griechenland und ließ Athen und Theben plündern. Nach diesem 1. Mithridatischen Krieg war Griechenlands Macht endgültig gebrochen. In der Folgezeit war Griechenland für Jahrzehnte einer der Hauptschauplätze des Römischen Bürgerkrieges. 48 v. Chr. schlug Gaius Julius Caesar in der Schlacht bei Pharsalos Pompeius. 42 v. Chr. besiegte Marcus Antonius bei Philippi die Caesar-Mörder Brutus und Cassius. Erst 31 v. Chr. endeten der Römische Bürgerkrieg und die Auseinandersetzungen in Griechenland in der Seeschlacht von Aktium, als Octavianus, der Erbe Caesars und spätere Kaiser Augustus, Antonius und Kleopatra besiegte. Athen blieb zwar weiterhin der Mittelpunkt von Philosophie und Bildung, aber der Handel verfiel fast vollständig. 27 v. Chr. trennte Augustus Mittel- und Südgriechenland als Provinz Achaia von der Provinz Macedonia ab.

In der Folgezeit verbesserte sich die Situation Griechenlands. Im Schutz der Pax Romana erlebte die griechische Kultur in den ersten Jahrhunderten n. Chr. eine erneute Blüte. Die römische Oberschicht studierte in Athen und besonders die Kaiser Tiberius, Nero und Hadrian förderten den Wiederaufbau der zerstörten Städte, insbesondere Athens. Das Lateinische war zwar Amtssprache, Griechisch aber weiterhin Hoch- und Kultursprache Griechenlands. Die Romanisierung der Bevölkerung blieb – anders als in anderen Teilen des Römischen Reiches – aus. Der erneute Aufschwung blieb jedoch weitgehend auf die Städte beschränkt. Viele ländliche, fruchtbare Gebiete verödeten, da die Bevölkerung in die Städte abwanderte. An die Stelle der zerstörten Poleis traten Landstädte. Sie bildeten die Zentren der kaiserlichen Domänen und der in römischem Besitz befindlichen Latifundien und wurden von einer kleinen Schicht aus Großgrundbesitzern und Beamten dominiert. Die Provinz Achaia spielte zum Ende des Römischen Reiches anders als Macedonia, das an der wichtigen Heerstraße Via Egnatia lag, ökonomisch und strategisch nur noch eine untergeordnete Rolle.

3. Das byzantinische Jahrtausend (395-1453) 

Byzantinisches Reich

Das Byzantinische Reich ging aus der östlichen Hälfte des Römischen Kaiserreiches hervor. Kaiser Justitian I. konnte um die Mitte des 6. Jahrhunderts noch einmal das Römische Reich unter einer Herrschaft vereinen; unter seinen Nachfolgern ging jedoch ein Großteil der Eroberungen wieder verloren. Die Einnahme Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 bedeutete das Ende des Byzantinischen Reiches.


Byzantinisches Reich Das Byzantinische Reich ging aus der östlichen Hälfte des Römischen Kaiserreiches hervor. Kaiser Justitian I. konnte um die Mitte des 6. Jahrhunderts noch einmal das Römische Reich unter einer Herrschaft vereinen; unter seinen Nachfolgern ging jedoch ein Großteil der Eroberungen wieder verloren. Die Einnahme Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 bedeutete das Ende des Byzantinischen Reiches.© Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten. 

395 n. Chr. wurde das Römische Reich verwaltungstechnisch in eine Ost- und eine Westhälfte geteilt und zwei Kaisern unterstellt. Die Provinzen Achaia und Macedonia fielen an Ostrom mit seiner neuen Hauptstadt Konstantinopel. Das oströmische Kaisertum verstand sich bis zu seinem Untergang 1453 nicht als griechisches, sondern stets als Römisches Kaiserreich. Die Bezeichnung als Byzantinisches Reich – die Hauptstadt Konstantinopel wurde 332 an der Stelle des antiken Byzantion (Byzanz) errichtet – ist erst durch die Humanisten des 16. Jahrhunderts üblich geworden.

Unter Kaiser Herakleios ersetzte im 7. Jahrhundert das Griechische als Amtssprache das Lateinische. Diese Tatsache ist Ausdruck für die erneute Hellenisierung von Kultur und Staat im Byzantinischen Reich. Während die römische Staatsidee die Basis von Gesellschaft und Staat bildete, bestimmten griechische Kultur und Wissenschaft das Geistesleben.

3.1 Einfall von Slawen, Arabern und Normannen (6.-11. Jahrhundert) 

Bereits Ende des 5. Jahrhunderts waren die Ostgoten und Anfang des 6. Jahrhunderts die Hunnen nach Griechenland vorgestoßen. Ihnen folgten slawische Stämme, die zwar u. a. an Thessaloniki scheiterten, das sie fünfmal vergeblich belagerten, aber bis nach Kreta vordringen konnten, das sie 623 plünderten. Seit dem 7. Jahrhundert ließen sich slawische Stämme dauerhaft nieder und besiedelten große Teile des griechischen Festlandes und der Peloponnes. Die griechische Bevölkerung wurde auf die Küstenstädte und die Ägäischen Inseln zurückgedrängt. Byzantinisches Militär und Verwaltung zogen sich aus den von den Slawen eroberten Gebieten zurück.

Nur langsam erfolgte die Rückeroberung. Als Erstes wurde 689 die durch Makedonien verlaufende Heerstraße Via Egnatia wieder in Besitz genommen, und 784 hatte Byzanz auch Mittelgriechenland zurückgewonnen. Die militärische Verwaltungsordnung (Themenverfassung) wurde auch in den griechischen Gebieten eingeführt; bis Mitte des 9. Jahrhunderts entstanden die Themen Hellas (Mittelgriechenland), Peloponnes, Makedonien und Nikopolis (Westgriechenland). Unter Kaiser Nikephoros I. begann im frühen 9. Jahrhundert zudem die erneute Ansiedlung griechischer Kolonisten aus Unteritalien und dem östlichen Mittelmeer. Kolonisierung und Missionierung unter den Slawen führten zu einer allmählichen Regräzisierung Griechenlands. Die slawischen Orts-, Fluss- und Bergnamen blieben jedoch größtenteils bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Sie wurden erst im Zuge der griechischen Nationalstaatsbildung durch die antiken Bezeichnungen ersetzt.

Die Slawenapostel Kyrillos und Methodios stammten beide aus Thessaloniki. Basierend auf dem örtlichen südslawischen Dialekt von Thessaloniki übersetzten sie im Auftrag von Photios, dem Patriarchen von Konstantinopel, die Bibel ins Kirchenslawische. Das von ihnen geschaffene, eng an das Griechische angelehnte Kirchenslawisch wurde zur Sakral- und Literatursprache aller von Konstantinopel missionierten slawischen Christen (Bulgaren, Serben, Russen), vergleichbar dem Latein des katholischen Europa.

Seit Ende des 7. Jahrhunderts drangen die Araber in das Ägäische Meer ein. 823 eroberten sie Kreta, 904 gelang kurzzeitig die Einnahme von Thessaloniki. Erst 960/961 konnte das Byzantinische Reich die arabische Gefahr bannen, als unter dem späteren Kaiser Nikephoros II. Phokas die Rückeroberung Kretas gelang.

Teile Makedoniens fielen in der Mitte des 9. Jahrhunderts an das Bulgarische Khanat. Damit gerieten zahlreiche Christen unter bulgarische Herrschaft. 865 nahm Chan Boris I. auf byzantinischen Druck hin den christlichen Glauben an. Seit Ende des 9. Jahrhunderts erhoben die bulgarischen Khane, die nun den Titel eines Zaren trugen, Anspruch auf Teilhabe an der Universalherrschaft des byzantinischen Kaisers. 1014 brachte Basileios II. Bulgaroktonos (der „Bulgarentöter”) den bulgarischen Zaren Samuel eine vernichtende Niederlage bei und zerstörte das Bulgarische Reich. Makedonien unterstand damit erneut Byzanz.

Das große Schisma der christlichen Kirche von 1054, in dem sich nach byzantinischer Lesart der lateinische Patriarch von Rom, der Papst, von der orthodoxen (rechtgläubigen) Kirche abwandte, hatte machtpolitisch für das Byzantinische Reich weitreichende Folgen. Das normannische Königreich Sizilien versuchte als bewaffneter Arm des Papstes, Griechenland zu unterwerfen. Mehrfach fielen die Normannen im Norden des Landes ein. 1147 landete König Roger II. auf Korfu und deportierte die dortige Bevölkerung nach Sizilien. 1185 nahmen die Normannen Thessaloniki ein, bevor sie 1186 in Strymon von Kaiser Isaak II. Angelos geschlagen wurden.

Zeitgleich mit den Normannen trat die Republik Venedig im östlichen Mittelmeer in Erscheinung. Kaiser Alexios I. Komnenos schloss 1082 mit Venedig ein Bündnis gegen die Normannen. Die venezianischen Kaufleute wurden dafür mit Handels- und Steuerfreiheit innerhalb des Byzantinischen Reiches entlohnt. In zahlreichen griechischen Hafenstädten (Korfu, Korinth, Athen, Thessaloniki u. a.) entstanden venezianische Handelsniederlassungen. Für die Weigerung Kaisers Alexios III. Angelos, den Venezianern 1203 ihre Privilegien zu bestätigen, rächte sich die Republik: Mit diplomatischem Geschick veranlasste Doge Enrico Dandolo die Kreuzfahrer des 4. Kreuzzuges (1202-1204) zur Eroberung Konstantinopels. Die Kreuzfahrer plünderten die Stadt und errichteten das Lateinische Kaiserreich.

3.2 Der Untergang des Byzantinischen Reiches (1204-1453) 

Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzritter fielen die Ionischen Inseln und Kreta an Venedig. Auf der Peloponnes übte die Republik die Oberhoheit aus und belehnte lateinische Kreuzfahrer. Auch das Herzogtum Archipelagus (Inselreich) mit der Hauptstadt Naxos war von Venedig abhängig. Direkt oder indirekt beherrschte Venedig fast die gesamte griechische Inselwelt. Korfu musste die Republik allerdings 1212 an das griechische Despotat von Epirus, einen die byzantinisch-orthodoxe Tradition fortsetzenden Feudalstaat, abtreten. Auf dem übrigen griechischen Festland bildeten sich zahlreiche lateinische Feudalherrschaften unter französischen, lombardischen oder spanischen Adligen, die sich nach dem 4. Kreuzzug hier festgesetzt hatten.

Diese feudalstaatliche Zersplitterung Griechenlands blieb auch nach der Rückeroberung Konstantinopels 1261 durch Kaiser Michael VIII. Palaiologos bestehen. Kurzfristig konnte im 14. Jahrhundert der serbische König Stephan IV. Dušan Epirus, Makedonien und Mittelgriechenland in sein Reich eingliedern; 1346 ließ er sich im makedonischen Skopje sogar zum „Zaren der Serben und der Griechen” krönen und erhob damit Anspruch auf den byzantinischen Thron. Sein Reich zerfiel jedoch nach seinem Tode ebenfalls in zahlreiche rivalisierende Herrschaften.

Von der Uneinigkeit zwischen den orthodoxen und den katholischen Feudalherren profitierten die Osmanen, die 1354 die Halbinsel Gallipoli an den Dardanellen und damit erstmals europäischen Boden eroberten. 1371 schlugen sie in der Schlacht an der Marica (griechisch: Evros) das christliche Heer unter dem serbischen König Vukašin und dem Despoten Uglješa. In der Folge wurde Makedonien osmanisch, bald darauf auch Thessalien.

Die Herrschaftsausdehnung der osmanischen Sultane erfolgte langsam. Die Osmanen gingen häufig mit den lokalen Feudalherren Bündnisse ein, übten die Oberherrschaft aus oder forderten Tribute. Erst später erfolgte die Inkorporierung in das neue Weltreich. 1453 eroberte Sultan Mehmed II. Konstantinopel und zerschlug damit nach mehr als 1 000 Jahren Bestehen das Byzantinische Reich.

4. Die osmanische Herrschaft (1453-1830) 

Mehmed II. Fatih Mehmed II. Fatih, genannt „der Eroberer”, brachte 1453 Konstantinopel unter osmanische Herrschaft und machte es zum politischen und kulturellen Zentrum seines Reiches.The National Gallery London/Gentile Bellini/Corbis 

1460 stand der größte Teil Griechenlands unter osmanischer Herrschaft. Zahlreiche christliche Stützpunkte wurden allerdings erst im Laufe des 16. Jahrhunderts eingenommen (Rhodos 1522, Nauplia 1540, Naxos 1566, Kreta erst 1669). Die Zeit des Osmanischen Reiches wird in der modernen griechischen Nationalgeschichte häufig als Turkokratia („Türkenjoch”) bezeichnet. Die Osmanen brachten eine orientalische Städtekultur und ein geordnetes und funktionierendes Staatswesen mit nach Europa. Das Land wurde nach der Eroberung befriedet, und es wurde das osmanische Lehnswesen etabliert. Der Sultan selbst war der größte Landbesitzer. Er vergab die Güter an Beamte und Militärs, die ihr Land jedoch nicht weitervererben konnten. Privater Grundbesitz war selten. Neben dem Sultan waren es vor allem die frommen islamischen Stiftungen (Vakuf), die als Besitzer in Erscheinung traten.

4.1 Die griechisch-orthodoxen Christen im Osmanischen Reich 

Die orthodoxe Kirche war im Osmanischen Reich eine anerkannte religiöse Institution. Sie erfuhr zwar zahlreiche Einschränkungen und Verfolgungen, ihre Existenz selbst wurde von den Osmanen aber nie angegriffen. Die Klöster auf dem Athos standen bereits seit 1430 unter osmanischem Schutz. Mehmed II. setzte 1454 den Patriarchen von Konstantinopel als Oberhaupt für alle orthodoxen Christen des Osmanischen Reiches ein. Er stand somit nach weiteren osmanischen Eroberungen auch den serbischen, bulgarischen und rumänischen orthodoxen Kirchen vor, die ihre autokephalen Patriarchate und Erzbistümer teilweise aufgeben mussten. Der Klerus dieser nichtgriechischen Kirchen wurde vom Patriarchen in Konstantinopel berufen und erlebte während der osmanischen Herrschaft eine starke Gräzisierung. Das Kirchenslawische wurde zugunsten des Griechischen zurückgedrängt.

Ethnische Griechen spielten im osmanischen Staatswesen eine bedeutende Rolle. Die Phanarioten, wohlhabende und gebildete griechische Familien aus dem Konstantinopler Stadtteil Phanar, nahmen – ohne die Konfession zu wechseln – am Sultanshof bedeutende Staatsämter ein. Im 18. Jahrhundert verliehen die Sultane phanariotischen Familien die Herrschaft über die rumänischen Vasallenfürstentümer Walachei und Moldau.

Griechische Kaufleute dominierten den Handel im Osmanischen Reich. In fast allen Städten des Reiches errichteten sie Niederlassungen, und vor allem auf der Balkanhalbinsel wurde Griechisch zur überregionalen Handelssprache. Auch den Seehandel im Osmanischen Reich hatten griechische Reeder, die über eine große Handelsflotte verfügten, fest in der Hand. Die griechischen Kaufleute unterhielten zudem Kontore in Westeuropa (Venedig, Wien, Leipzig, Amsterdam u. a.).

Die bäuerlich-christlichen Untertanen waren gegenüber den Muslimen unterprivilegiert, genossen aber, solange sie Steuern zahlten und nicht rebellierten, den Schutz des osmanischen Staates. Auch sie konnten Privilegien erhalten, z. B. als Pass- oder Straßenwächter.

In schwer zugänglichen Landesteilen bestand die osmanische Herrschaft nur nominell, etwa bei den Familienclans der Mani auf der Peloponnes. Aufstände der christlich-orthodoxen Bevölkerung Griechenlands gegen die osmanische Herrschaft wurden häufig durch den Vatikan, Venedig oder das österreichisch-spanische Habsburgerreich unterstützt. 1585 und 1611 bis 1618 kam es zu Aufständen in Akarnanien, Ätolien und Epirus. 1647 erhob sich die Peloponnes gegen die osmanischen Herren.

4.2 Islamisierung 

Durch die osmanische Eroberung kam es zur Ausbreitung des Islam in Griechenland. Muslime kamen als Beamte, Militärs und Theologen in größerer Zahl in die griechischen Städte, die durch den Bazar, die religiösen Vakuf-Stiftungen, die Moscheen und die ethnisch-religiöse Einteilung der Wohnviertel einen orientalischen Charakter annahmen. Übertritte zum Islam fanden schrittweise statt. Vor allem in den ersten Jahrhunderten gab es zahlreiche Kryptochristen, die nur formal zum Islam übertraten, jedoch im Geheimen ihren christlichen Glauben weiter ausübten. Auf der Peloponnes betrug der Anteil der Muslime 1680 etwa 15 Prozent.

Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts existierte wie überall auf dem Balkan die Institution der Knabenlese (griechisch: paidomazoma): Christliche Jungen im Alter von 7 bis 15 Jahren wurden für den osmanischen Militär- und Beamtendienst rekrutiert. Sie mussten zum Islam übertreten und erhielten in Konstantinopel eine mehrjährige hohe Ausbildung. Die meisten wurden anschließend in das Janitscharen-Korps kooptiert, das in den ersten Jahrhunderten ausschließlich aus ehemaligen Christen bestand. Ein anderer Teil der Knaben kam in den Staatsdienst und nahm Stellungen bis hin zum Großwesir ein.

In den griechischen Landesteilen Makedonien und Thessalien war die Islamisierung besonders stark ausgeprägt. Hier gab es auch auf dem Lande türkische Muslime; sie waren vor allem aus Anatolien eingewandert. In Makedonien traten zudem zahlreiche Slawen (heute bezeichnet als Pomaken oder Torbeschen) und in Epirus Albaner zum Islam über. Im osmanischen Verwaltungsbezirk Thessaloniki betrug der muslimische Bevölkerungsanteil im 19. Jahrhundert 42 Prozent.

4.3 Während der Krise des Osmanischen Reiches (17. und 18. Jahrhundert) 

1669 eroberten die Osmanen Kreta. Zu dieser Zeit erreichte das Osmanische Reich in Europa seine größte Ausdehnung. In der Folge des Scheiterns der Belagerung Wiens 1683 gewann Venedig für eine kurze Zeit (1699-1718) die Kontrolle über die Peloponnes zurück, ansonsten blieb Griechenland mit Ausnahme der weiterhin zu Venedig gehörenden Ionischen Inseln bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts unter osmanischer Herrschaft.

Dessen ungeachtet befand sich der osmanische Staat seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert in einer tiefen Krise. Konstantinopel – die Bezeichnung Istanbul ist erst seit dem 19. Jahrhundert üblich – konnte die Kontrolle über seine Provinzen nicht mehr effektiv ausüben. Lokale Beamte oder Grundbesitzer errichteten teils unabhängige Herrschaften und unterdrückten die Bevölkerung. Sie trieben willkürlich Steuern ein und verfügten über eigenständige bewaffnete Formationen. Viele Landstriche wurden von Klephten (griechisch: Diebe) unsicher gemacht, gut organisierten lokalen Räuberbanden, die teilweise einen bedeutenden militärischen Machtfaktor darstellten. Die griechische Nationalhistoriographie sieht in den Klephten Vorkämpfer für die nationale Befreiung.

4.4 Der nationale Befreiungskampf (1770-1830) 

Archivo Iconografico, S.A./Corbis

Schlacht von Navarino


Schlacht von Navarino Die Schlacht von Navarino am 20. Oktober 1827 markierte den Beginn der alles entscheidenden Intervention der Großmächte Frankreich, Großbritannien und Russland im Griechischen Unabhängigkeitskrieg und zugleich schon fast das Ende der osmanischen Herrschaft über Griechenland. Deutlich auf dem Bild des französischen Seemanns und Malers Louis Ganeray zu erkennen sind die im Halbkreis formierte osmanisch-ägyptische Flotte und, im Vordergrund, die angreifenden Schiffe der französisch-britisch-russischen Flotte. Die Stadt jenseits der Bucht, am rechten Bildrand, ist Navarino, das heutige Pílos.Archivo Iconografico, S.A./Corbis 

Bereits der russische Zar Peter I. schmiedete Pläne zur Befreiung aller orthodoxen Balkanchristen. Katharina die Große nahm diese Pläne wieder auf, um den russischen Machtbereich nach Südosteuropa zu erweitern. 1770 initiierte die russische Regierung auf der Halbinsel Mani auf der Peloponnes einen Aufstand gegen die osmanische Herrschaft und entsandte Admiral Aleksej Orlow mit einer Flotte vor die Halbinsel. Der Vali der Peloponnes, Mehmed Emin, schlug mit Hilfe albanisch-muslimischer Truppen die russischen Truppen in die Flucht, doch konnte die russische Flotte 1770 die Seeschlacht von Çesme (bei Chios) für sich entscheiden (siehe auch Russisch-Türkische Kriege). Im Frieden von Küçük Kaynarci 1774 setzte Russland gegenüber dem Osmanischen Reich ein Protektorat der russischen Zaren über die orthodoxen Balkanchristen durch. In Griechenland wurden zahlreiche russische Konsulate eingerichtet, die unmittelbar in die osmanischen Staatsgeschäfte eingriffen.

Eine wichtige Voraussetzung für den griechischen Befreiungskampf war die Existenz einer griechischen Diaspora in Konstantinopel, in den rumänischen Fürstentümern Walachei und Moldau, in Westeuropa, an den Küsten des Schwarzen Meeres, im Libanon usw. (insgesamt drei Millionen Menschen). Die Diaspora-Griechen waren wohlhabend, gebildet und teilweise geprägt durch die westeuropäischen Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution. Am Ende des 18. Jahrhunderts nahm die griechische Kultur in der Diaspora einen spürbaren Aufschwung: 2 500 griechische Bücher wurden gedruckt (Hauptdruckort war Venedig), und 1784 erschien in Wien die erste griechische Zeitung. Stellvertretend für diese Entwicklung steht der seit 1788 in Paris lebende Adamantios Korais (1748-1833), der aus dem klassischen Griechisch (Attisch) und der Volkssprache (Demotike) die neugriechische Schriftsprache (Katharevussa) schuf.

In der Diaspora entstand eine kleine, politisch aktive Elite, die sich, u. a. inspiriert von der Französischen Revolution, einen unabhängigen griechischen Staat zum Ziel setzte. 1814 gründete sich in Odessa (Ukraine) der Geheimbund Hetairia Philikon (Gesellschaft der Freunde), dessen Mitglieder Geld und Waffen sammelten und Stützpunkte auf dem Balkan und in den Gebieten des östlichen Mittelmeers anlegten. Ihr Führer Alexandros Ypsilanti, ein früherer Adjutant des russischen Zaren Alexander I., gewann den Fürsten des osmanischen Vasallenfürstentums Moldau, Tudor Vladimirescu, für den Aufstand und rief an der Spitze einer kleinen Streitmacht in Jassy, der moldauischen Hauptstadt, am 7. März 1821 die Unabhängigkeit Griechenlands aus. Damit begann der Griechische Unabhängigkeitskrieg („Epanastasis”).

Einen Monat später erhob sich auf der Peloponnes ein ebenfalls von der Hetairia vorbereiteter Aufstand gegen die Osmanen. Während osmanische Truppen den Aufstand in Moldau niederschlugen, brachten die Aufständischen die Peloponnes bis Oktober 1821 vollständig in ihre Hand, und auch Athen wurde eingenommen. Die zu Kriegsschiffen umgerüsteten Handelsschiffe griechischer Reeder (500 Schiffe mit 15 000 Kämpfern) errangen 1822 bei Spétsai den ersten Sieg über die osmanische Flotte.

Die osmanische Regierung unter Sultan Mahmud II. reagierte sofort. Der Patriarch von Konstantinopel, Georgios, wurde – obwohl er die Aufständischen verurteilt und exkommuniziert hatte – 1821 hingerichtet. Die Insel Chios wurde von einer osmanischen Strafexpedition heimgesucht, wobei 25 000 Bewohner getötet und 47 000 versklavt wurden. Während sich die Regierungen der Großmächte Großbritannien, Frankreich, Österreich und Russland abwartend bis feindlich gegenüber dem griechischen Freiheitskampf verhielten, erwachte in den europäischen Ländern eine breite Unterstützungsbewegung, der Philhellenismus. Zahlreiche europäische Freiwillige stießen zu den aufständischen Griechen, z. B. der englische romantische Dichter Lord Byron.

Die Nationalversammlung von Epidauros verabschiedete im Januar 1822 die erste griechische Verfassung, die den Idealen der Französischen Revolution verpflichtet war. Die griechische Aufstandsbewegung war jedoch in sich uneinheitlich; die Spannungen mündeten in blutige innergriechische Auseinandersetzungen, die den Aufstand schwächten. 1825 gelang einer 70 000 Mann starken Truppe, die der ägyptische Vizekönig im Auftrag des Sultans auf die Peloponnes entsandt hatte, die Einnahme fast der ganzen Halbinsel. Mit dem Fall Missolonghis und Athens (1826) war der Aufstand so gut wie niedergeschlagen.

Erst die Intervention der Großmächte verhinderte den völligen Zusammenbruch. Im Londoner Vertrag vom Juli 1827 verständigten sich Österreich, Großbritannien und Russland auf die Bildung eines autonomen griechischen Fürstentums, das völkerrechtlich Bestandteil des Osmanischen Reiches bleiben sollte. Die drei Großmächte stellten eine Interventionsflotte zusammen, die im Oktober 1827 in der Schlacht von Navarino die gesamte osmanisch-ägyptische Flotte vernichtete. 1828 landeten französische Truppen auf der Peloponnes, die ägyptischen Truppen mussten den Rückzug antreten. Russische Truppen stießen unterdessen 1828/29 über die Donau in Richtung Konstantinopel vor. Im Februar 1830 erhielt Griechenland im Londoner Protokoll durch die Schutzmächte Frankreich, Großbritannien und Russland schließlich die volle Unabhängigkeit zugesichert.

5. Der moderne griechische Nationalstaat I (1830-1944) 

Der neue Staat umfasste die Peloponnes, Mittelgriechenland, Euböa, die Kykladen und die nördlichen Sporaden. Da Griechenland plötzlich von den osmanischen Märkten abgeschnitten war, erlitt es große wirtschaftliche Verluste.

Bereits 1827 hatten die innergriechischen Konfliktparteien angesichts der schwierigen militärischen Lage einen Burgfrieden vereinbart. Im April wählten sie den angesehenen Diplomaten Ioannis Kapodistrias zum Präsidenten. Dessen absolutistische Regierungsweise konnte das Land nicht einen. Im Oktober 1831 wurde Kapodistrias auf Befehl eines Clanführers der Halbinsel Mani ermordet. Damit brach der Bürgerkrieg erneut aus.

5.1 Die Bayernherrschaft (1832-1862) 

Die drei Schutzmächte Frankreich, Großbritannien und Russland setzten 1832 für Griechenland die erbliche Monarchie als Regierungsform durch. In der griechischen Politik spielte dieser äußere Einfluss in der Folge eine so große Rolle, dass sich die Parlamentarier in einer „englischen”, einer „französischen” und einer „russischen” Partei organisierten. Zum König bestimmten die Großmächte Otto von Wittelsbach, den Sohn des bayerischen Königs Ludwig I. Da Otto I. bei seiner Thronbesteigung erst 17 Jahre alt war, lenkte in den ersten drei Jahren ein vierköpfiger bayerischer Regentschaftsrat den institutionellen Aufbau des Staates. Er stützte sich auf eine bewaffnete Truppe von 3 500 bayerischen Soldaten.

Der Regentschaftsrat regierte nach dem Muster einer absolutistischen Monarchie, machte die griechische Kirche autokephal und unabhängig vom Patriarchat in Konstantinopel und dekretierte die Grundzüge eines zentralistischen Staats- und Verwaltungswesens. Die Reformen gingen jedoch in vielerlei Hinsicht an der gesellschaftlichen Realität vorbei und wurden nur teilweise umgesetzt. Ab 1834 war Athen Hauptstadt. 1843 zwang eine unblutige Rebellion den König zur Entlassung aller Bayern aus den höheren Staatsämtern und zur Ausrufung einer parlamentarisch-konstitutionellen Verfassung. Der Ausbau der staatlichen Institution wurde auch unter der neuen Verfassung fortgesetzt.

1844 formulierte Ministerpräsident Ioannis Kolettis das Programm des modernen griechischen Nationalismus mit dem Kern der staatlichen Vereinigung aller Griechen und der Expansion des Nationalstaates, dessen zukünftige Hauptstadt das noch zu erobernde Konstantinopel sein sollte. Ob die „Megali Idea” (Große Idee), die die griechische Politik bis zur kleinasiatischen Katastrophe im Jahr 1922 prägte, die Wiederherstellung des Byzantinischen Reiches, ein Anknüpfen an die Traditionen der griechischen Antike oder eine revolutionäre griechische Republik verwirklichen sollte, blieb innerhalb der griechischen Nationalbewegung strittig.

Die innenpolitische Lage war nach dem Erlass der Verfassung von 1843 kritisch. Das Bandenunwesen der Klephten bestand in vielen Landesteilen fort. Die Kritik am König wuchs, zumal Otto I. für das Scheitern der Erweiterung des Staatsgebietes verantwortlich gemacht wurde. Zudem war der König nicht zur griechischen Orthodoxie übergetreten, sondern Katholik geblieben. 1862 putschte die Armee. Otto verließ daraufhin Griechenland und starb kinderlos 1867 im bayerischen Exil. Damit war die 30-jährige Bayernherrschaft (Bavarokratia) zu Ende.

5.2 Territoriale Expansion (1863-1912/13) 

Der von den Großmächten als neuer König ausgewählte dänische Prinz Georg I. (1863-1913) brachte im Gegensatz zu Otto I. keine Berater mit und heiratete die russisch-orthodoxe Prinzessin Olga. Als Zeichen ihrer Zustimmung überließ die britische Regierung 1864 Griechenland die Ionischen Inseln, die seit 1815 britisches Protektorat waren. Im selben Jahr erließ Georg I. eine neue Verfassung, die das allgemeine Wahlrecht für Männer und ein Einkammerparlament einführte.

Während des letzten Russisch-Türkischen Krieges (1877/78) hinderte Großbritannien Griechenland daran, sich durch die Eroberung Thessaliens am Osmanischen Reich schadlos zu halten. 1881 konnte sich Griechenland unter Vermittlung der Großmächte jedoch ohne Waffengewalt durchsetzen und erreichte vom Osmanischen Reich die Abtretung Thessaliens und eines kleinen Teils des Epirus.

Die folgenden zwei Jahrzehnte standen im Zeichen des Kampfes um den Anschluss Kretas und Makedoniens. 1896 brach ein antitürkischer Aufstand auf Kreta aus. Griechische Truppen landeten auf der Insel und provozierten den Griechisch-Türkischen Krieg von 1897. Er endete mit einer schweren Niederlage Griechenlands. Das Osmanische Reich setzte im Friedensvertrag einige Grenzänderungen zu seinen Gunsten und umfangreiche Reparationsleistungen durch. Der griechische Staatshaushalt wurde dadurch nach dem Staatsbankrott von 1893 erneut vollkommen ruiniert und musste 1897 einer Internationalen Finanzkommission unterstellt werden. Kreta kam unter eine internationale Verwaltung durch die Großmächte Frankreich, Russland, Großbritannien und Italien. Formal blieb die Insel Bestandteil des Osmanischen Reiches.

In Makedonien, ebenfalls noch in osmanischem Besitz, überschnitten sich erstmals griechische Territorialansprüche mit denen anderer Balkanstaaten, nämlich Bulgariens und Serbiens. 1894 gründeten Offiziere und nationalistische Intellektuelle den Geheimbund Ethnike Hetairia (Nationale Gesellschaft), dessen Kämpfer in Makedonien vor allem zwischen 1904 und 1908 einen blutigen Guerillakrieg gegen die osmanischen Behörden sowie gegen ihre bulgarischen und serbischen Konkurrenten führten.

Die Revolution der Jungtürken in Konstantinopel (1908) nutzte der Führer der Vereinigungsbewegung auf Kreta, Eleftherios Venizelos, zum Anschluss der Insel an Griechenland (völkerrechtlich anerkannt 1913). Mit der Vereinigung (Enosis) rief er in Athen eine Staatskrise hervor, da die griechische Regierung eine verlustreiche Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich wie 1897 nicht riskieren wollte. 1909 übernahm nach einem Aufstand von Streitkräften im Athener Vorort Goudi eine Militärregierung die Macht („Revolution von Goudi”), die ein Jahr später Venizelos zum Ministerpräsidenten berief. Venizelos wurde der prägende Politiker der nachfolgenden 20 Jahre; er nahm zahlreiche Reformen in Angriff, und das Land erlebte durch seine Modernisierungspolitik innerhalb weniger Jahre einen enormen Entwicklungsschub.

Außenpolitisch verfolgte Venizelos eine streng nationalistische Politik. 1912 beteiligte er sich an der Bildung des Balkanbundes aus Serbien, Montenegro, Bulgarien und Griechenland. Der Balkanbund hatte sich zum Ziel gesetzt, die letzten europäischen Besitzungen des Osmanischen Reiches (Kosovo, Makedonien, Albanien und Thrakien) zu erobern, und erklärte dem Osmanischen Reich den Krieg. Als Ergebnis der beiden Balkankriege – im 2. Balkankrieg 1913 kämpfte Griechenland an der Seite Serbiens gegen Bulgarien – fielen Kreta, die Ägäischen Inseln, Epirus, Nordgriechenland und Teile Makedoniens an Griechenland, dessen Staatsgebiet und Bevölkerung sich damit fast verdoppelte.

König Georg fiel im März 1913 in Thessaloniki einem Attentat zum Opfer. Nachfolger wurde sein Sohn Konstantin I.

5.3 Der 1. Weltkrieg und die kleinasiatische Katastrophe (1914-1923) 

Zu Beginn des 1. Weltkrieges blieb Griechenland auf Betreiben von Konstantin I. – gegen den Willen von Ministerpräsident Venizelos – zunächst neutral. Als Truppen der Entente im Oktober 1915 unter Bruch der griechischen Neutralität bei Thessaloniki landeten, um die makedonische Front gegen die Mittelmächte in Serbien zu eröffnen, trat Venizelos zurück. Ein Jahr später proklamierte er unter dem Schutz der Entente in Thessaloniki eine Gegenregierung, die Großbritannien und Frankreich sofort anerkannten. In der folgenden „Nationalen Spaltung” (Ethnikos Dichasmos) standen sich Venizelisten und Royalisten feindselig gegenüber. Venizelos kontrollierte Kreta, die Ägäischen Inseln und den Norden des Landes, während die königstreue Regierung Mittel- und Südgriechenland beherrschte.

Im Juni 1917 zwangen die Entente-Truppen König Konstantin zur Abdankung zugunsten seines zweiten Sohnes Alexandros. Venizelos kehrte als Ministerpräsident nach Athen zurück, erklärte den Mittelmächten sowie deren Verbündeten Bulgarien und dem Osmanischen Reich den Krieg, und ging mit aller Härte gegen seine politischen Gegner vor. Als Siegermacht des 1. Weltkrieges erhielt Griechenland im Friedensvertrag von Neuilly (1919) West-Thrakien von Bulgarien und im Friedensvertrag von Sèvres (1920) Ost-Thrakien und ein großes Gebiet der kleinasiatischen Küste bei Smyrna (türkisch: Izmir) vom Osmanischen Reich. Die nordöstliche Grenze des neuen Griechenland verlief nur wenige Kilometer entfernt von Konstantinopel/Istanbul. Der Führer der türkischen Nationalbewegung, Kemal Atatürk, weigerte sich jedoch, diesen noch von der Regierung des Sultans abgeschlossenen Vertrag anzuerkennen.

Nach dem Tod von König Alexandros am 2. Oktober 1920 und vorgezogenen Neuwahlen im November 1920 kam es in Griechenland zu einer überraschenden innenpolitischen Wende. Venizelos erlitt eine schwere Wahlniederlage, und eine von der neuen royalistischen Regierung abgehaltene Volksabstimmung im Dezember rief König Konstantin auf den Thron zurück. Da Konstantin als deutschfreundlich galt, stellten die Alliierten ihre Unterstützung für Griechenland ein. Dennoch begann die Regierung 1921 mit einer militärischen Großoffensive in Kleinasien, in deren Verlauf die griechische Armee bis vor Ankara vorstieß. Eine Besetzung Konstantinopels verhinderten 1922 die dort stationierten britischen Truppen.

Die türkische Gegenoffensive im August 1922 endete für die Griechen mit der „kleinasiatischen Katastrophe”: Die griechische Armee räumte Kleinasien und Ost-Thrakien vollständig, gefolgt von mehr als einer Million Flüchtlingen und Vertriebenen. Die mehr als 2500-jährige griechische Siedlungskontinuität in Kleinasien wurde fast vollständig ausgelöscht. Jeder sechste Einwohner Griechenlands war nun Flüchtling. Die Armee putschte, setzte eine Junta ein und zwang König Konstantin Ende 1922 erneut zur Abdankung. Nachfolger wurde sein Sohn Georg II. Als Verantwortliche für die kleinasiatische Katastrophe wurden sechs Minister und Generäle nach einem Prozess hingerichtet.

Der Friede von Lausanne von 1923 sicherte der Türkei die neu eroberten Gebiete, sanktionierte die Vertreibung der Griechen und legte fest, dass von bestimmten Ausnahmen abgesehen alle Muslime (etwa 385 000) von Griechenland in die Türkei zwangsumgesiedelt werden sollten. Im Ergebnis war Griechenland ein fast homogener Nationalstaat. Bei der Volkszählung von 1928 bekannten sich 92,8 Prozent der 6,2 Millionen Einwohner als Griechen. Die „Megali Idea” von 1844 war tot.

5.4 Republik, Monarchie, Diktatur – die Zwischenkriegszeit (1923-1940) 

Nach der kleinasiatischen Katastrophe gewannen die republikanischen Kräfte erneut die Oberhand. Georg II. musste Ende 1923 das Land verlassen. Nach einer Volksabstimmung wurde am 24. März 1924 die Republik ausgerufen.

Die Zwischenkriegszeit war erneut von scharfen politischen Fraktionierungen gekennzeichnet. Das nationale Schisma zwischen Venizelisten und Antivenizelisten setzte sich fort. Ein großes Problem stellten die verarmten Flüchtlingsmassen aus Kleinasien und Thrakien dar. Der Völkerbund unterstützte Griechenland bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise von 1923 bis 1930. Dennoch war die soziale Situation in einigen Landesteilen dramatisch. Streiks erschütterten das Land. Die Kommunistische Partei Griechenlands (gegründet 1918 als Sozialistische Arbeiterpartei Griechenlands) profitierte von der unsicheren sozialen und politischen Situation. Das Militär versuchte durch drei Putsche (1925, 1933 und 1935), Einfluss auf das politische Leben zu nehmen. Eine relative Stabilität war mit der erneuten Regierungsübernahme von Eleftherios Venizelos 1928 zu verzeichnen: Die folgenden vier Jahre, in denen er ununterbrochen die Regierung führte, gelten als „goldene Jahre” der Zwischenkriegszeit. Die Weltwirtschaftskrise stürzte auch Griechenland 1932 in eine schwere ökonomische Krise, da die griechischen landwirtschaftlichen Exportwaren keine Absatzmärkte mehr fanden.

Mit der Gründung der Balkanentente 1934 in Athen trat Griechenland dem französischen Bündnissystem gegen das Deutsche Reich bei. Damit versuchte sich Griechenland gegen territoriale bulgarische Revisionsforderungen in West-Thrakien und Makedonien sowie gegen das im östlichen Mittelmeer aggressiv auftretende Italien abzusichern. Gleichzeitig geriet Griechenland in den dreißiger Jahren wie alle südosteuropäischen Staaten wirtschaftlich in die Abhängigkeit des nationalsozialistischen Deutschen Reiches. Berlin öffnete den deutschen Markt für Agrarprodukte aus Griechenland. Auf der Grundlage eines Clearingsystems bezahlte das Deutsche Reich Waren wie Tabak und Öl mit Industrie- und Rüstungsgütern. Die beabsichtigte außenpolitische Bindung Griechenlands an Deutschland gelang jedoch nicht.

Innenpolitisch gewannen die Royalisten bedeutend an Einfluss, führten nach der Niederschlagung des republikanischen Militärputsches und einem gefälschten Plebiszit 1935 die Monarchie wieder ein und riefen Georg II. auf den Thron zurück. Das politische Leben radikalisierte sich unter dem Eindruck sozialer Unruhen und der kommunistischen Volksfronttaktik. Die „kommunistische Gefahr” diente den Verfechtern eines autoritär-antidemokratischen Regierungssystems zur Rechtfertigung für die Abschaffung der Demokratie. Kurz vor einem 24-stündigen Generalstreik suspendierte Ioannis Metaxas, der seit April 1936 das Amt des Ministerpräsidenten innehatte, am 4. August 1936 die Verfassung und errichtete mit Billigung König Georgs ein diktatorisches Regime. Die politischen Parteien wurden verboten, Kommunisten, Sozialisten, Gewerkschafter und bürgerliche Oppositionelle streng verfolgt. Metaxas’ „Neuer Staat” (Neon Kratos) stellte sich in Anlehnung an das deutsche Dritte Reich als „Dritte Griechische Zivilisation” dar.

5.5 Der 2. Weltkrieg (1940-1944) 

Aufgrund der Bedrohung, die von der italienischen Besetzung Albaniens im April 1939 ausging, gab Großbritannien eine Garantieerklärung für Griechenland ab. Dennoch fielen am 28. Oktober 1940 italienische Truppen von Albanien aus in Nordgriechenland ein. Metaxas hatte zuvor ein Ultimatum Mussolinis mit dem legendären „Ochi” (Nein) beantwortet. Die innenpolitisch zerstrittene griechische Nation sammelte sich nun um den Diktator Metaxas. Die griechische Armee schlug die Italiener, ging zur Gegenoffensive über und besetzte ein Drittel Albaniens.

Aufgrund der militärischen Niederlage Mussolinis entschloss sich Adolf Hitler zu einem von deutscher Seite nicht geplanten Krieg. Der Balkanfeldzug gegen Griechenland und Jugoslawien begann am 6. April 1941 und führte innerhalb von drei Wochen zur Kapitulation der griechischen Armee. König Georg II. floh mit der Regierung ins Exil. Der größte Teil des Landes wurde italienisch besetzt. West-Thrakien kam an Bulgarien, das sofort mit der Bulgarisierung (Vertreibung von 90 000 Griechen, Ansiedlung von 120 000 Bulgaren) begann. Die deutsche Wehrmacht besetzte die strategisch wichtigen Landesteile: Westkreta, den Großraum Athen-Piräus, einige Ägäis-Inseln, Griechisch-Makedonien mit der Hafenstadt Thessaloniki sowie die Grenzregion zwischen der bulgarischen Besatzungszone und der Türkei. Griechenland wurde in den nationalsozialistischen „Großraum Südost” eingegliedert und rücksichtslos ausgeplündert (Erze, Öl, Tabak).

Eine Missernte, Konfiszierungen der Besatzungsmächte und die britische Seeblockade führten im Winter 1941/42 zu einer Hungerkatastrophe mit 100 000 Toten.

Gegen die Besatzung durch die Achsenmächte formierten sich mehrere republikanische und royalistische Widerstandsbewegungen. Weitaus am erfolgreichsten war die Nationale Befreiungsfront (Ethnikon Apeleftherotikon Metopon, EAM), in der sich mehrere Linksparteien und einige bürgerliche Gruppen zusammengeschlossen hatten und in der die Kommunistische Partei im Laufe des Krieges die Führung übernahm. Der militärische Arm der EAM, die 1942 gegründete Griechische Befreiungsarmee (Ethnikos Laikos Apeleftherotikos Stratos, ELAS), kontrollierte schon bald große Teile des Landes. Zwischen der ELAS und der bürgerlich-royalistischen Widerstandsgruppe EDES (Ethnikos Demokratikos Ellenikos Syndesmos, Nationaldemokratische Griechische Liga) kam es ab 1943 zu blutigen innergriechischen Auseinandersetzungen, in denen sich der kommende Bürgerkrieg abzeichnete.

Das deutsche Besatzungsregime verschärfte sich nach der Kapitulation Italiens am 3. September 1943. Deutsche Truppen besetzten die bisherige italienische Okkupationszone. Um den griechischen Widerstand zu ersticken, verübten SS und Wehrmacht Geiselerschießungen und Massaker an der Zivilbevölkerung, denen etwa 50 000 Menschen zum Opfer fielen (Kalavryta, Distomo, Komeno u. a.). Die deutschen Behörden deportierten 60 000 sephardische Juden aus Griechenland in die Vernichtungslager. Nur 20 Prozent der griechischen Juden überlebten den Holocaust.

Aufgrund des militärischen Erfolges der ELAS verständigten sich Vertreter der Exilregierung und weitere bürgerliche Politiker im Mai 1944 im Libanon auf die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit unter dem bürgerlichen Liberalen Georgios Papandreou. Über die künftige Staatsform sollte nach dem Krieg ein Referendum durchgeführt werden. Nach Einmarsch der sowjetischen Roten Armee in Rumänien und Bulgarien zog sich die deutsche Heeresgruppe Südost bis November 1944 aus Griechenland zurück. Nur auf Kreta hielt sich eine Einsatzgruppe bis zur Kapitulation 1945.

6. Der moderne griechische Nationalstaat II (seit 1944) 

6.1 Der griechische Bürgerkrieg (1944-1949) 

Im Oktober 1944 verständigten sich der sowjetische Führer Jossif Stalin und der britische Premierminister Winston Churchill in ihrer berühmten Prozentvereinbarung über die künftige Aufteilung Osteuropas in Interessensphären. Der britische Einfluss in Griechenland sollte 90 Prozent, der sowjetische nur 10 Prozent betragen. Nach dem Abzug der Deutschen landeten deshalb britische Truppen in Griechenland, gefolgt von der Regierung der Nationalen Einheit, an der auch die Kommunistische Partei beteiligt war.

Als Ministerpräsident Papandreou darauf bestand, die Einheiten der ELAS, die inzwischen 90 Prozent des Territoriums kontrollierten und in der Bevölkerung über großen Rückhalt verfügten, zu entwaffnen und aufzulösen, zog die Kommunistische Partei ihre Mitglieder aus der Regierung zurück. Wenig später brachen in den Dezember-Ereignissen (Dekemvriana), die den Beginn des griechischen Bürgerkrieges markierten, bewaffnete Kämpfe zwischen den ELAS-Partisanen und den Regierungstruppen aus. Nur die militärische Intervention der britischen Besatzungsmacht verhinderte den Sieg der Kommunisten. Am 24. Dezember 1944 kam Churchill nach Athen und setzte den Erzbischof der griechisch-orthodoxen Kirche, Damaskinos, als Regenten und Stellvertreter des Königs ein. Am 15. Januar 1945 trat ein Waffenstillstand zwischen den Briten und der ELAS in Kraft. Am 12. Februar 1945 willigte die ELAS in das Abkommen von Varitsa ein, das den Übergang zur politischen Nachkriegsordnung gestalten sollte. Vereinbart wurden die Auflösung aller militärischen Verbände, freie politische Betätigung, die Aufstellung einer unpolitischen griechischen Armee, die Bestrafung aller Kollaborateure und die Abhaltung eines Volksentscheids über die Monarchie.

Die nachfolgenden Übergangsregierungen wurden der chaotischen Lage allerdings nicht Herr. Entgegen dem Abkommen von Varitsa fanden die Parlamentswahlen vom 31. März 1946 vor dem Volksentscheid über die Monarchie statt. Die Kommunisten boykottierten die Wahlen, und in der Folge kam eine rechtsgerichtete Regierung, die ihren Rückhalt auch bei ehemaligen Kollaborateuren suchte, an die Macht. Bei dem Plebiszit vom 1. September 1946 stimmten 68 Prozent für die Beibehaltung der Monarchie. Georg II. kehrte auf den Thron zurück, starb jedoch bereits ein Jahr später. Nachfolger wurde sein Bruder Paul I. Ebenfalls 1947 erhielt Griechenland den Dodekanes von Italien. Damit war die territoriale Expansion des griechischen Nationalstaates abgeschlossen.

Im Oktober 1946 formierten die Kommunisten die Demokratischen Streitkräfte Griechenlands (Dimokratikos Stratos Elladas, DSE) unter General Markos Vafiadis, die von den kommunistischen Nachbarstaaten Albanien, Jugoslawien und Bulgarien unterstützt wurden. Die rechtskonservative Regierung warf den Kommunisten vor, eine slawische Volksrepublik Makedonien unter Einschluss Griechisch-Makedoniens sowie den Anschluss Griechenlands an eine kommunistische Balkanföderation zu planen. Nicht zuletzt aus diesem Grund verloren die Kommunisten in der Bevölkerung in der Folge bedeutend an Rückhalt.

Die antikommunistische Regierung genoss inzwischen die massive militärische und politische Unterstützung der USA, die Großbritannien als Schutzmacht abgelöst hatten. Marshallplan und Truman-Doktrin banden Griechenland im beginnenden Kalten Krieg an die westliche Führungsmacht. Die Ende 1947 ausgerufene kommunistische Gegenregierung wurde hingegen weder von der Sowjetunion noch von anderen kommunistischen Staaten anerkannt. Trotz einer militärischen Offensive der Athener Regierung im Jahr 1948 konnten die DSE ihre wichtigsten Stützpunkte, insbesondere in den Gebirgsregionen an der Nordgrenze, halten – bis die jugoslawischen Kommunisten 1949 ihre Unterstützung einstellten, da die Kommunistische Partei Griechenlands moskautreu geblieben war und Jugoslawien unter Tito selbst nun der Hilfe des Westens bedurfte. Am 16. Oktober 1949 erklärte die Gegenregierung das Ende der Feindseligkeiten. 90 000 Kommunisten begaben sich ins Exil in kommunistische Staaten. Krieg und Bürgerkrieg hatten mehr als eine halbe Million Griechen das Leben gekostet.

6.2 Nachkriegsära (1950-1967) 

Georgios Papandreou Bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren profilierte sich der griechische Politiker Georgios Papandreou (1888-1968) in verschiedenen Ministerämtern und als Parteigründer als kompromissloser Verfechter von Republik und Demokratie. In der Endphase des 2. Weltkrieges führte er 1944/45 die griechische (Exil-)Regierung, und von 1963 bis 1965 amtierte er erneut als Ministerpräsident. Nach seiner Entlassung spitzten sich die inneren Unruhen immer weiter zu und kulminierten 1967 schließlich im Militärputsch.Archive Photos 

Zahlreiche „außergewöhnliche Maßnahmen” aus der Zeit des Bürgerkrieges blieben weiter in Kraft. Formal war Griechenland seit der Verfassung von 1952, die erstmals auch den Frauen das Wahlrecht zugestand, eine konstitutionelle Monarchie, doch in der Realität waren zahlreiche Grundrechte und Freiheiten beschnitten. Die Kommunistische Partei blieb seit Dezember 1947 verboten, gewann aber innerhalb der 1951 gegründeten Vereinigten Demokratischen Linken an Einfluss.

1952 trat Griechenland der NATO bei. Im selben Jahr erreichte die Wirtschaftskraft wieder Vorkriegsniveau. Die finanzielle Unterstützung durch die USA bewirkte einen spürbaren Wirtschaftsaufschwung, der maßgeblich zur politischen Stabilisierung unter der Regierung der rechten Griechischen Sammlungsbewegung mit dem Oberbefehlshaber des Bürgerkrieges, Marschall Alexandros Papagos, als Regierungschef (1952-1955) beitrug. Während der Regierungszeit von Konstantin Karamanlis (1955-1963), dessen Nationalradikale Union unmittelbar aus der Griechischen Sammlungsbewegung hervorgegangen war, setzte sich der wirtschaftliche Aufschwung fort. Dazu trugen der Ausbau der Infrastruktur, eine breite Industrieförderung und zahlreiche Prestigeprojekte bei. Der enorme Unterschied zwischen den wenigen Großstädten und dem ländlichen Raum blieb jedoch bestehen.

Seit den sechziger Jahren gingen Zehntausende Griechen als Gastarbeiter nach Westeuropa, vor allem in die Bundesrepublik Deutschland, die 1960 mit der griechischen Regierung ein Anwerbeabkommen abgeschlossen hatte. Die wachsende Tourismusindustrie wurde – nach dem Staat – zum größten Arbeitgeber des Landes. Kenntnisse, Lebensstil und Mentalität, die die Gastarbeiter und Touristen nach Griechenland brachten, lösten eine tief gehende Verwestlichung der noch immer in weiten Teilen traditionell geprägten griechischen Gesellschaft aus.

Die Neuwahlen im November 1963 nach einer innen- und außenpolitischen Krise gewann überraschend nicht Karamanlis, sondern die Zentrumsunion mit Georgios Papandreou an der Spitze. Die Zentrumsunion vereinte neben konservativ-liberalen Kräften auch sozialdemokratische Strömungen. Ihre Regierungsübernahme bedeutete eine spürbare Liberalisierung des öffentlichen Lebens. Die politische Rechte, die noch immer den Staatsapparat und die Armee dominierte, fürchtete jedoch, Papandreou könne Griechenland kommunistischen Einflüssen öffnen. Der seit März 1964 amtierende neue König Konstantin II. weigerte sich, Ministerpräsident Papandreou, der die Streitkräfte effektiv kontrollierten wollte, auch das Amt des Verteidigungsministers zu übertragen, veranlasste ihn damit im Juli 1965 zum Rücktritt und erreichte die Spaltung der Zentrumsunion. Die Abweichler bildeten mit der Nationalradikalen Union eine neue Regierung. Für den 28. Mai 1967 wurden Neuwahlen ausgeschrieben.

6.3 Die Militärdiktatur (1967-1974) 

Georgios Papadopulos Georgios Papadopulos war im April 1967 führend am Militärputsch in Griechenland beteiligt und übernahm im Dezember 1967 als Ministerpräsident und Verteidigungsminister, ab 1970 auch Außenminister die Führung der Militärjunta. Im Juni 1973 ließ er sich zum Staatspräsidenten wählen; fünf Monate später wurde er selbst durch einen Militärputsch gestürzt. Nach dem Ende der Militärdiktatur wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.Camera Press/Archive Photos 

Um einer erneuten Regierungsübernahme Papandreous zuvorzukommen, stürzte eine rechtsextrem-nationalistische Offiziersgruppe um Oberst Georgios Papadopoulos am 21. April 1967, fünf Wochen vor dem Wahltermin, die Regierung und errichtete eine Militärdiktatur. Mehrere tausend bürgerliche, linksliberale und kommunistische Politiker wurden verhaftet und in Lagern interniert. Das „Obristen-Regime” verbot die freie Presse und die politischen Parteien. Ein Gegenputsch Konstantins II. vom 13. Dezember 1967 scheiterte; der König ging daraufhin ins Exil nach Italien. Die USA, der wichtigste Verbündete Griechenlands, verurteilten die Militärdiktatur nicht, sondern ließen dem strategisch wichtigen südosteuropäischen Land weiterhin militärische Hilfe zukommen. Auch die anderen NATO-Staaten folgten dem US-amerikanischen Beispiel. Im Juli 1973 beseitigten die Militärs durch einen fingierten Volksentscheid mit offiziell 73 Prozent Ja-Stimmen die Monarchie. Papadopoulos, bis dahin Regierungschef, übernahm selbst das Amt des Präsidenten.

Den Niedergang der Militärdiktatur leiteten Studentenproteste an der Athener Universität im November 1973 ein, die blutig niedergeschlagen wurden und 30 Todesopfer forderten. Um einen Machtverlust zu verhindern, ersetzte das Militär Papadopoulos durch den neuen starken Mann, Brigadegeneral Dimitrios Ioannidis, der die gesteigerte Unzufriedenheit mit dem Regime nach außen zu lenken versuchte. Am 15. Juli 1974 initiierten die Athener Machthaber einen Putsch der zypriotischen Nationalgarde, die einen Anschluss Zyperns an Griechenland erzwingen wollte, gegen den zypriotischen Präsidenten Makarios. Darauf reagierte die Türkei am 20. Juli 1974 mit einer Militärintervention und besetzte den Nordteil der Insel. Griechenland und die Türkei standen am Rande eines Krieges. Dem Mobilmachungsbefehl leistete die griechische Armee jedoch nicht Folge, und die Militärdiktatur brach zusammen. Der einstige Ministerpräsident Konstantin Karamanlis kehrte aus dem französischen Exil zurück und wurde erneut als Ministerpräsident vereidigt.

6.4 Parlamentarische Demokratie und EG-Mitgliedschaft (1974-1981) 

Konstantinos Karamanlis Nach dem Sturz der Militärregierung 1974 führte Konstantinos Karamanlis, der bereits zwischen 1955 und 1963 mit Unterbrechungen als Ministerpräsident von Griechenland amtiert hatte, als Regierungschef (bis 1980) sein Land zur Demokratie zurück. Von 1980 bis 1985 und erneut von 1990 bis 1995 war Karamanlis Staatspräsident.Argyropoulos/Sipa Press/Woodfin Camp and Associates, Inc. 

Karamanlis bildete zunächst eine „Regierung der Nationalen Einheit”, die den drohenden Krieg mit der Türkei zwar abwenden, die Eroberung eines Großteils Zyperns und die Vertreibung von 200 000 zypriotischen Griechen durch die türkische Armee jedoch nicht verhindern konnte. Dennoch gelang Karamanlis eine Stabilisierung des erneuerten parlamentarischen Systems; bei den Wahlen im November 1974 führte er seine konservative Neue Demokratie (Nea Dimokratia, ND) zu einem triumphalen Wahlerfolg. Am 9. Juni 1975 trat die neue republikanische Verfassung in Kraft, nachdem im Dezember 1974 ein Volksentscheid die Abschaffung der Monarchie bestätigt hatte. In Prozessen gegen die Verantwortlichen der Militärdiktatur wurde Papadopoulos zum Tod verurteilt (die Strafe wurde später in lebenslängliches Zuchthaus umgewandelt), Ioannidis erhielt siebenmal lebenslänglich.

Am 28. Mai 1979 unterzeichnete die Regierung Karamanlis in Athen den Vertrag über den Beitritt Griechenlands zur Europäischen Gemeinschaft (EG), der am 1. Januar 1981 wirksam wurde. Die Einbindung des Landes, das kaum über die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft verfügte, in die EG war von Seiten der Gemeinschaft vor allem politisch motiviert (Festigung der Demokratie und der Westbindung). Das Land profitierte in der Folge von den hohen finanziellen Zuwendungen aus Brüssel. 1980 überließ Karamanlis seinem bisherigen Außenminister Georgios Rallis die Regierungsverantwortung und wechselte ins repräsentative Amt des Staatspräsidenten.

6.5 Die Ära der PASOK-Herrschaft (seit 1981) 

6.5.1 Andreas Papandreou 

Andreas Papandreou Nach seiner Rückkehr aus dem Exil nach Griechenland 1974 gründete Andreas Papandreou (1919-1996) die Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK), die er 1981 zu einem überwältigenden Wahlsieg führte. In seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident von Griechenland (1981-1989) konzentrierte er sich auf die Überwindung der Folgen der Militärherrschaft, d. h. auf die Demokratisierung und Liberalisierung seines Landes; seine zweite Amtszeit (1993-1996) war überschattet von Skandalen und der stetigen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, der ihn schließlich im Januar 1996 zum Rücktritt veranlasste.REUTERS/Varinka Boseman/Archive Photos 

Bei den Parlamentswahlen im Oktober 1981 errang die Panhellenistische Sozialistische Bewegung (Panellinio Sosialstiko Kinima, PASOK) die absolute Mehrheit. Mit dem Parteivorsitzenden Andreas Papandreou wurde das erste Mal ein Politiker der politischen Linken Ministerpräsident des Landes. Die Regierung Papandreou rehabilitierte die jahrzehntelang stigmatisierten Mitglieder der kommunistisch geführten Widerstandsbewegung aus dem 2. Weltkrieg und setzte auch sonst einige Neuerungen durch, so die Einführung der Zivilehe und der lokalen Selbstverwaltung. Die angekündigten tief greifenden Reformen blieben jedoch aus, und angesichts einer schlechten Wirtschaftslage polarisierten sich die politischen Lager und verschärften sich die innenpolitischen Auseinandersetzungen.

Der zweiten Amtszeit von Papandreou, dessen PASOK bei den Wahlen von 1985 knapp die absolute Mehrheit der Mandate im Parlament verteidigen konnte, fehlte der reformerische Schwung der ersten Periode. Seit Sommer 1988 überschattete zudem eine Reihe von Skandalen die Arbeit der PASOK-Regierung. Am Ende der Legislaturperiode führte die PASOK das reine Verhältniswahlrecht ein, konnte nach starken Stimmenverlusten bei den Wahlen im Juni 1989 den Machtwechsel jedoch nicht verhindern. 1990 wurde erneut Karamanlis als Kandidat der ND zum Staatspräsidenten gewählt.

Nach mehreren kurzlebigen Regierungen unter der Führung der konservativen ND brachte Papandreou die PASOK 1993 an die Regierung zurück. Im Januar 1996 – Papandreou war aus Gesundheitsgründen zurückgetreten – folgte ihm Kostas Simitis als Regierungs- und Parteichef nach. Bei den Parlamentswahlen vom September 1996 behauptete die PASOK ihre absolute Mehrheit. 1995 löste der PASOK-Kandidat Konstantin Stephanopoulos Karamanlis im Amt des Staatspräsidenten ab.

6.5.2 Griechenland als Regionalmacht in den neunziger Jahren 

Nach dem Zerfall des sozialistischen Jugoslawien 1991 erklärte die an Griechenland grenzende Republik Makedonien ihre Unabhängigkeit. Diese Entwicklung führte zu einer direkten Konfrontation mit Griechenland, das weder Namen noch Symbolik des jungen Nachbarstaates anerkannte, weil es diese selbst als griechisches Erbe beanspruchte. Im Februar 1994 verhängte Griechenland eine Wirtschaftsblockade und schloss seine Grenze zu Makedonien. Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Staaten setzte erst seit September 1995 ein, als sich beide Seiten in New York auf ein Abkommen einigten, das die UNO und die US-amerikanische Regierung vermittelt hatten. Für die Namensfrage wurde allerdings keine alle Seiten befriedigende Lösung gefunden. Griechenland beendete die Wirtschaftsblockade und nahm diplomatische Beziehungen zu Skopje auf.

Das wegen der griechischen Minderheit in Südalbanien gespannte Verhältnis zu Albanien normalisierte sich 1996, nach Abschluss eines Vertrages über Freundschaft und Zusammenarbeit. Etwa 400 000 Albaner kommen jedes Jahr als Saisonarbeiter nach Griechenland.

Während des Kosovo-Krieges der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 kam durch die fast einhellige Ablehnung der Bombardements eine in der Bevölkerung weit verbreitete antiamerikanische und proserbische Stimmung zum Ausdruck. Die griechische Regierung beteiligte sich nicht an den NATO-Luftschlägen, übte aber innerhalb des Militärbündnisses keine Obstruktionspolitik. Stattdessen bemühte sie sich intensiv um eine diplomatische Lösung des Konflikts.

Das Verhältnis zur Türkei ist traditionell belastet durch machtpolitische Rivalitäten, den Zypernkonflikt und ungelöste Hoheitsfragen über Ägäis-Inseln vor dem türkischen Festland, die des Öfteren in kriegerische Entwicklungen zu eskalieren drohten. So erkennt z. B. die Türkei die 1995 von Griechenland unterzeichnete Internationale Seerechtskonvention nicht an, die Athen das Recht einräumt, seine Hoheitsgewässer um die Ägäis-Inseln von sechs auf zwölf Seemeilen zu erweitern. Einen weiteren Tiefpunkt erreichten die bilateralen Beziehungen, als bekannt wurde, dass griechische Behörden den in der Türkei gesuchten Führer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, im Januar 1999 illegal nach Griechenland einreisen ließen. Danach hielt sich Öcalan, kurz bevor er durch den türkischen Geheimdienst verhaftet wurde, mehrere Tage lang in der griechischen Botschaft in Kenia auf. Die Affäre führte auch zu einer schweren innenpolitischen Krise, die mehrere Minister und den Geheimdienstchef das Amt kostete.

Die schweren Erdbeben in der Türkei am 17. August 1999 und in Griechenland am 7. September 1999, die tausende Todesopfer forderten, ließen die Regierungen und Bevölkerungen beider Länder aneinander rücken. Es kam zu einem Durchbruch in den bilateralen Beziehungen. Nach jahrelangen Vorbehalten akzeptierte Griechenland auf dem EU-Gipfel im Dezember 1999 in Helsinki die Bewerbung der Türkei für eine EU-Mitgliedschaft. Im Jahr 2000 betraten erstmals seit Jahrzehnten türkische Soldaten im Rahmen eines NATO-Manövers griechisches Territorium. Die Außenminister beider Länder, Georgios Papandreou und Ismail Cem, vereinbarten 2001 zahlreiche vertrauensbildende Maßnahmen wie die Räumung der Grenze von Minen und den Ausbau des visafreien Reiseverkehrs. Die beiden wichtigsten Probleme im bilateralen Verhältnis, der Streit um den Seegrenzverlauf in der Ägäis und der Zypern-Konflikt, blieben jedoch aus den Gesprächen ausgeklammert. Allerdings ließ im Januar 2002 der Beginn direkter Verhandlungen zwischen dem griechisch-zypriotischen und dem türkisch-zypriotischen Präsidenten, Glafkos Klerides und Rauf Denktasch, Hoffnung auf die Lösung auch des Zypern-Konflikts aufkeimen.

6.5.3 Die Regierung Konstantin Simitis (seit 1996) 

Mit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch Konstantin Simitis im Januar 1996 begann ein neuer Abschnitt in der griechischen Politik. Nach dem Ende des Kalten Krieges ist eine Entpolarisierung und eine ideologische Angleichung der beiden Volksparteien, der PASOK und der konservativen ND, zu beobachten. Die Parteien gruppieren sich weniger um charismatische Führungspersönlichkeiten, wie sie u. a. noch Andreas Papandreou, der Vorgänger von Simitis, darstellte. Klientelismus ist allerdings weiterhin ein verbreitetes Phänomen in der griechischen Gesellschaft.

Im Februar 2000 wurde Staatspräsident Stephanopoulos vom griechischen Parlament für eine zweite fünfjährige Amtszeit wiedergewählt. Die Parlamentswahlen am 9. April 2000 bestätigten mit knapper relativer Mehrheit die Politik der PASOK unter Simitis (43,8 Prozent der Stimmen), dicht gefolgt von der ND (42,8 Prozent).

Als einziger EU-Mitgliedsstaat konnte Griechenland die wirtschaftlichen und finanziellen Kriterien für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) nicht erfüllen und daher nicht an der Einführung des Euro am 1. Januar 1999 teilnehmen. Die Regierung Simitis leitete deshalb eine umfangreiche Modernisierungspolitik ein, um die Aufnahme in die Eurozone zu erreichen. Im Mittelpunkt stand dabei die Sanierung der defizitären Staatsfinanzen, die Liberalisierung der Wirtschaftspolitik sowie die Privatisierung staatlicher Unternehmen. Diese langfristig angelegte Politik zeigte entsprechende Erfolge, so dass Griechenland zum 1. Januar 2001 in die EWWU aufgenommen wurde.

Text aus: Microsoft® Encarta® Enzyklopädie Professional 2003. © 1993-2002 Microsoft Corporation.

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